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Die Winterprinzessin

Die Winterprinzessin

Titel: Die Winterprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sie nicht mitnehmen, oder?«
    »Ich finde, das sollte sie selbst entscheiden.«
    Jakob schien sich tatsächlich in den Kopf gesetzt zu haben, Jade mit nach Kassel zu nehmen. Fraglos waren unsere kargen Gelehrtenstuben genau das, was sich eine Prinzessin wie sie für den Rest ihres Lebens wünschte.
    »Wach auf, Jakob!«, sagte ich nachdrücklich und beugte mich zu ihm vor. »Sie ist nicht irgendein Ding, sie ist kein Bücherregal, das du dir ins Zimmer stellen kannst, um ab und zu daran vorbeizustreichen und ein wenig herumzublättern. Sie ist …« – ich suchte nach den richtigen Worten – »… Herrgott, sie ist Anhängerin eines Liebeskultes! Was werden die Geschwister sagen, und die Nachbarn?«
    Im selben Moment schlug Jade die Augen auf. »Wir werden ihnen einfach den Mund zunähen – so macht man das in meiner Heimat mit Schwätzern.«
    »Sie sind wach?«, fragte Jakob verblüfft.
    Auch ich muss sie einigermaßen erstaunt angesehen haben, denn sie lächelte mich an und sagte: »Wenigstens in einem haben Sie Recht: So hölzern wie ein Bücherregal fühle ich mich beileibe nicht.«
    Ihre Stimme klang geschwächt, das war unüberhörbar, trotzdem brachte sie einen spöttischen Tonfall zu Stande.
    »Ich … verzeihen Sie«, stammelte ich und spürte, wie ich erneut der Glut ihrer Augen erlag.
    »Machen Sie sich nichts daraus«, entgegnete sie. »Ich werde Sie nicht weiter in Verlegenheit bringen. Reisen Sie nur ab. Ich werde die Amrita-Kumbha auch alleine finden.«
    Für einen Moment gelang es mir, den Bann ihrer Blicke zu brechen. »Oho!«, jubelte ich voller Sarkasmus. »Diener, ihr könnt die Säbel hereinbringen! Ihre Herrlichkeit hat neuen Lebensmut geschöpft.«
    Sie kicherte, doch ihr Vergnügen geriet nicht ganz überzeugend. »Ich hatte niemals vor, mir das Leben zu nehmen, Herr Grimm. Und wie Sie sehen, hatte mein Plan durchaus Erfolg.«
    »Ah, nein?«, fragte ich überrascht und zugleich auch gekränkt. »Warum haben Sie mich nicht eingeweiht?«
    »Weil Sie niemals zugelassen hätten, dass ich mich selbst verletze. Nicht einmal zu dem Zweck, die Soldaten des Großherzogs zu täuschen. Es ging nur so und nicht anders.«
    »Das also meinten Sie, als Sie sagten, Sie wollten den Soldaten zuvorkommen.«
    Sie nickte. »Tut mir Leid, wenn Sie sich dadurch hintergangen fühlen.«
    Ich rümpfte die Nase und sah Jakob an. »Du hast es gewusst, nicht wahr? Und hast mir schon wieder nichts davon gesagt.«
    »Du hast mich nicht gefragt«, verteidigte er sich.
    »Außerdem hast du gesagt, dass sie bis zum Mittag schlafen wird. Mindestens«, äffte ich ihn beleidigt nach.
    »Das nahm ich auch an.«
    Jade kam ihm zur Hilfe. »Ihr Bruder hat Recht, Wilhelm. Es ist meine Schuld, ich habe die Medizin hinters Bett gespuckt. Ich konnte nicht zulassen, dass man mich betäubt.«
    »Sie haben zwei Tage nicht geschlafen«, sagte Jakob besorgt.
    Sie lächelte sanft. »Kala hat bis zu seinem Tod kaum einen Bruchteil seines Könnens an mich weiterzugeben vermocht, aber eine Weile ohne Schlaf auszukommen war eine der leichtesten Lektionen.«
    »Wie geht es Ihrer Wunde?«
    Als Antwort schlug sie die Decke bis zu den Hüften zurück. Sie trug nur ein feines Nachthemd, das sie nun unversehens hochschob, wobei sie ihren zierlichen Oberkörper entblößte. Sie wirkte weder bewusst neckisch noch aufreizend; für sie schien es das Natürlichste der Welt, uns einen Blick auf ihre Verletzung zu gestatten.
    Nach zwei gemeinsamen Nächten war mir ihr Körper noch nicht so vertraut, dass mich sein Anblick nicht immer noch irritiert hätte. Ich zwang mich, nur auf die Wunde zu schauen. Der Einstich in ihrer linken Seite war nicht bandagiert, was Jakob sogleich aufbrachte. »Wo sind die Verbände?«, wollte er aufgeregt wissen.
    »Ich habe sie abgenommen«, entgegnete sie leichterhand.
    »Aber weshalb, um Himmels willen?« Der Arme geriet ganz aus dem Häuschen.
    »Bandagen behindern nur die Heilung. Sie haben nicht zufällig gestoßenen Krokodilszahn zur Hand, mit dem ich die Wunde bestreuen könnte?«
    »Machen Sie sich nur lustig!« Sorge und ein Anflug von Ärger sprachen aus Jakobs Stimme. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung für ihn.
    Ich räusperte mich. »Ich denke, wir haben genug gesehen.« Damit ergriff ich eilig die Zipfel der Decke und zog sie über ihre Blöße.
    Jade lachte laut auf, sagte aber nichts – was mich wunderte, schien sie doch gewöhnlich ganz versessen darauf, bei allem das letzte Wort zu haben.
    »Fest steht,

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