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Die Winterprinzessin

Die Winterprinzessin

Titel: Die Winterprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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allerdings decken sich seine Worte mit den Ihren«, endete Jakob, »auch er sprach von einer geheimen Macht im Hintergrund.«
    Jade hatte aufmerksam zugehört, doch jetzt zuckte sie nur mit den Schultern. »Ich weiß darüber ebenso wenig wie Sie.«
    »Vielleicht sollten wir noch einmal mit Hadrian sprechen«, schlug Jakob nachdenklich vor.
    »Ich dachte, du wolltest abreisen«, warf ich spitz ein.
    Statt seiner war es Jade, die darauf eine Antwort hatte, und sie klang ungewohnt förmlich. »Ich würde mich freuen, wenn Sie bereit wären, mich weiterhin zu unterstützen. Das gilt natürlich für Sie beide.«
    Jakob tat, als zögere er noch, dabei wusste ich doch, dass seine Entscheidung längst gefallen war.
    Ihre freie Hand griff nach seiner Rechten, sodass sie uns nun beide an den Händen hielt. Schmerzlich kam mir in den Sinn, welches Ende es mit den Brüdern in der Geschichte der Märchenfrau genommen hatte.
    »Tun Sie es mir zuliebe«, säuselte sie.
    Man mag einwenden, wie leicht durchschaubar ihre Taktik war und welch ein Hohlkopf derjenige sein musste, der darauf hereinfiel. Und obgleich Jakob wie mir diese Erkenntnis nicht verborgen blieb, trieben uns unsere Gefühle für dieses becircende Geschöpf doch blindlings in seine Gefolgschaft. Selig der, der sich kühn gegen die Fesseln der Liebe wirft und sie mit der Kraft des gesunden Menschenverstands zerreißt – mir zumindest mochte es nicht gelingen. Und ebenso wenig meinem braven Bruder, der sonst doch die Vernunft zum höchsten Gott erkoren hatte.
    Kurzum, der Beschluss war schnell gefasst: Wir würden der Prinzessin auch weiterhin zur Seite stehen. Jakob gestand, dass er schon am Vortag einen Brief an die heimatliche Bibliothek geschrieben hatte. Darin unterrichtete er seine Vorgesetzten von einem ganz und gar unverschuldeten Unfall, dessen leidvolle Folgen ihn noch für einige weitere Tage in Karlsruhe festsetzen würden.
    Wir kamen überein, dass es wirklich an der Zeit sei, dem Doktor einen neuerlichen Besuch abzustatten, wobei ich in aller Kürze meine Erlebnisse der vergangenen Nacht schilderte, meinen Verdacht, dass Hadrian hinter diesem Schmetterlingsspuk stecken könne, und zudem auch Dalbergs eigene Obsession erwähnte.
    An unserem nächsten Schritt änderte mein Bericht freilich nichts, und schließlich war ich selbst es, der die Mutmaßungen der beiden anderen zu vorzeitigem Ende brachte und zum sofortigen Aufbruch drängte.
     
    * * *
     
    Die Sonne schien, endlich, und ihre Strahlen brachten den tief verschneiten Park zum Gleißen und Funkeln wie die Schmuckschatullen der Kaiserin. Es war ein so friedlicher, fast verzaubernder Anblick, als wir ins Freie traten, und allein ihm war es zu verdanken, dass sich unsere Laune ein wenig aufhellte. Der Himmel war strahlend blau, und die glitzernde Pracht des Winters auf Wiesen und Ästen hob sich herrlich davon ab.
    Jade hatte mitgehen wollen, doch Jakob und ich hatten sie überzeugen können, dass dies völlig ausgeschlossen war. Sie solle sich einige Stunden Schlaf gönnen, empfahlen wir, und alles Weitere vorerst uns überlassen. Sie tat es nicht gerne, das merkte man ihr an, aber sie sah wohl ein, wie nötig sie die Ruhe hatte; vielleicht wollte sie auch nur unsere neu gewonnene Überzeugung, ihr beistehen zu müssen, nicht ins Wanken bringen. Zudem hätte es Dalberg sicherlich stutzig gemacht, wäre sie schon wieder auf den Beinen gewesen. So aber mochte sie weiteren Verhören des Ministers vorerst entgehen.
    Das Haus des Doktors wirkte im Sonnenschein weit weniger düster als an den Abenden zuvor. Die Eiben trugen weiße Spitzen, Zipfelmützen aus Schnee.
    Wir pochten an die Haustür, bekamen aber keine Antwort, auch nach mehrmaligen Versuchen nicht.
    »Vielleicht ist er im Schloss«, sagte ich.
    Jakob hob unschlüssig die Schultern, gab sich aber nicht zufrieden. »Gehen wir zur Hintertür.«
    Wir fanden sie unverriegelt. Unser Klopfen blieb auch hier zwecklos, und so drückte Jakob zaghaft die Klinke herunter und trat als Erster ins Haus. Ich folgte ihm, nicht ganz so entschlossen, wohl aber von der gleichen Neugier getrieben. Bei all dem Raubgesindel, das in den Wäldern lungern sollte, war der Leichtsinn des Doktors verwunderlich.
    Das Hinterzimmer lag verlassen da. In einer Ecke waren blutfleckige Tücher aufgehäuft, übrig geblieben von Nanettes Entbindung. Vom Doktor und dem Mädchen fehlte jede Spur.
    »Doktor Hadrian!«, rief Jakob durch die Zimmertür ins Haus, und wieder blieb alles

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