Die wir am meisten lieben - Roman
Lange besah er sich das Bild und schaute dann nur sie an.
»Vielen Dank.«
»Nein, Cal«, sagte sie leise. »Ich habe
dir
zu danken.«
Frank Dawson erschien, und sie luden die Taschen ein und |279| fuhren zur Landepiste. Cal folgte in seinem Truck mit Tommy. Herb wartete, die Lodestar war startbereit. Cal half mit den Taschen. Alle sagten auf Wiedersehen. Cal schüttelte erst Ray die Hand, danach Tommy, der seine Sprache verloren zu haben schien.
»Wir sehen uns, wenn ich wieder da bin«, sagte Cal.
Tommy nickte und hob den Blick nicht. Diane küsste Cal auf die Wange und wünschte sich insgeheim, sie könnte die Berührung und den Geruch seiner Haut für immer bewahren.
Das Flugzeug hob in Richtung Osten ab und machte eine Kurve in Richtung Westen. Sie konnten sehen, wie Cal zu seinem Truck lief. Er blickte hoch, blieb stehen, winkte mit seinem Hut, als sie über ihn hinwegflogen. Tommy starrte sprachlos in die Tiefe.
|280| DREIUNDZWANZIG
Die dritte Augustwoche war heiß. Nicht ein Windhauch bewegte die großen Eukalyptusbäume, die unterhalb der Terrasse wuchsen. Durch sie hindurch konnte man L. A. unter einem Teppich gelbbraunen Dunstes erkennen. So war es seit ihrer Rückkehr aus Arizona, und obwohl die Luft in den Hügeln frischer war, hatte Tommy manchmal das Gefühl, er müsse ersticken.
Am Abend rückten die Wolken näher. Die Stürme, die schließlich losbrachen, waren heftig. Tommy stieg aus dem Bett und stand an den offenen Türen des Balkons. Er schaute sich die erleuchteten Silhouetten der Bäume an und lauschte dem Donner, der durch die Canyons rollte. Der Regen war stark und jäh. Die Straße war bald überflutet.
Nicht wegen des Wetters fühlte er sich lustlos. Die wundervolle Zeit, die er in Arizona verbracht hatte, hatte L. A. allen Glanz geraubt. Er war noch ein einziges Mal mit Cal ausgeritten. Jetzt aber wurde die Ranch aufgelöst. Die meisten Pferde waren verkauft, und die, die Cal gehörten – auch Chester –, waren nach Montana transportiert worden. Cal war mit ihnen gefahren. Er würde zurückkommen, um sein Haus auszuräumen, Ende Oktober würde er endgültig fortziehen. Tommy vermisste ihn so sehr, er wünschte, er hätte ihn nie kennengelernt.
Diane und Ray redeten kaum noch miteinander. Und wenn, brüllten sie sich an. Meistens erst, wenn Tommy im Bett lag. Die Stürme im Haus waren oft schlimmer als die Unwetter draußen. Kreischen und Schreien. Türenschlagen, und eines Nachts das entsetzliche Geräusch von splitterndem Glas. Am nächsten |281| Morgen sammelte Dolores auf den Knien die letzten Scherben des großen Wohnzimmerspiegels auf. Diane behauptete, der Sturm sei schuld gewesen.
Zweimal schon hatte Tommy sie weinen sehen. Beim zweiten Mal hatte er im Bett gelegen und gehört, wie sich die beiden bei Tisch auf der Terrasse stritten. Dann hörte er die Wohnungstür krachend ins Schloss fallen. Ray raste im Cadillac davon. Tommy war aufgestanden und zu Diane gegangen. Sie lag schluchzend auf ihrem Bett. Und als er sie fragte, was los sei, sagte sie nur, dass sie und Ray sich im Moment nicht so gut verstünden. So etwas geschehe öfter, wenn Menschen heirateten und sich aneinander gewöhnten und gleichzeitig viel arbeiteten. Sobald sie
The Forsaken
abgedreht hätten, würde sich alles beruhigen.
»Liebst du ihn noch?«
Tommy hoffte, Diane würde nein sagen, damit er ihr endlich von Leanne erzählen konnte, aber sie lächelte nur und sagte, er solle nicht albern sein, gewiss liebe sie Ray noch. Sie nahm ihn in die Arme und strich ihm übers Haar.
»Alles wird gut, mein Liebling. Ehrlich. Wenn der Film fertig ist, sind wir wieder glücklich. Vielleicht können wir alle zusammen verreisen. Irgendwohin, wo es schön ist. Ans Meer. Hättest du Lust?«
»Warum nicht? Aber könnten nur wir beide fahren?«
»Tommy, du musst aufhören, Ray so schlecht zu behandeln. Er liebt dich. Ich kann dir gar nicht sagen, wie traurig es ihn macht, dass du nicht mit ihm sprichst und ihn meidest. Liebling. Warum machst du das?«
»Ich habe es doch schon gesagt. Er ist nicht nett zu dir. Ich mag es nicht, wenn er dich anschreit.«
»Bitte versuche, freundlicher zu sein. Wir wollen alle miteinander glücklich sein.«
Als könne man Glück anknipsen wie Licht. Eigentlich sah |282| Tommy Ray oder Diane nur noch selten, weil sie den ganzen Tag im Studio waren. Tommy lungerte im Haus herum, sah fern oder lag auf seinem Bett und las. Wenn ihn all das langweilte, half er Dolores in der Küche
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