Die wir am meisten lieben - Roman
oder Miguel beim Waschen der Autos, oder er mähte den Rasen oder fischte Blätter aus dem Pool. Diane sagte, er solle einen Freund einladen, aber seine Freunde aus der Schule waren noch verreist.
Als Tommy schon glaubte, er würde verrückt vor Langeweile, rief Wally Freemans Mutter an, um zu sagen, dass Wally aus dem Ferienlager zurück sei. Tommy fragte Diane, ob Wally bei ihnen übernachten dürfe, und als sie zustimmte, wurde sogleich eine Verabredung getroffen.
Wally schlief im Gästebett in Tommys Zimmer, obgleich
schlafen
vielleicht nicht das richtige Wort war, denn sie redeten bis zwei Uhr morgens. Tommy erzählte von Arizona und bekam Lachanfälle bei all den Streichen, die Wally in Oregon erlebt hatte; Frösche in die Betten von anderen setzen und den gemeinsten Erzieher auf einer Insel zurücklassen, auf der es Bären gab.
Am Morgen weckte Tommy das Geschrei im Flur. Dolores brüllte jemanden an, er solle weggehen und sich nicht wieder blicken lassen. Wally schlief weiter. Aber Tommy kletterte aus dem Bett, und als er seine Zimmertür öffnete, erblickte er Diane im Morgenmantel. Sie hatte geduscht und war genauso neugierig wie er. Sie wollte wissen, wen Dolores ankeifte. Dolores antwortete barsch wie immer, es sei nur ein Bettler gewesen.
Diane und Tommy gingen ans Fenster. Ein Mädchen, ein Teenager, schlurfte in Richtung Tor. Sie hatte einen zotteligen blonden Pferdeschwanz und trug ein viel zu großes, schmutziges gelbes Kleid. Sie musste gespürt haben, dass jemand ihr nachschaute, denn sie wandte sich um und blickte kurz zurück. Ihr Ausdruck wirkte verkniffen und verletzt zugleich. Diane zuckte mit den Schultern.
|283| Kurz darauf fuhr Diane zur Arbeit. Tommy weckte Wally, und sie frühstückten und schwammen eine Runde. Für den Rest des Vormittags spielten sie Indianer, verfolgten einander und lauerten sich im Garten auf. Wally wollte wieder mit dem Luftgewehr auf Vögel schießen, aber Tommy sagte, es sei falsch, Lebewesen zu töten, es sei denn, man brauche Nahrung.
Später schwammen sie eine Runde und tauchten nach Fünf-Cent-Stücken. Dann saßen sie am Poolrand, ließen ihre Füße ins Wasser baumeln und erörterten, welche der drei Ms – Marilyn Monroe, Jane Mansfield oder Mamie Van Doren – die besten Titten hatte. Wally sagte, sobald die Schule wieder begonnen habe, würde er auf jeden Fall Wendy Carter küssen, und Tommy erwiderte, sie küsste wahrscheinlich lieber den Hintern eines Hundes, woraufhin sie anfingen, sich unterzutauchen und mit Wasser zu bespritzen. Sie waren so außer Rand und Band, dass Dolores aus dem Haus kam und sie aufforderte, aufzuhören.
Bei Wallys letztem Besuch hatte Ray stolz seine Waffensammlung gezeigt, und als sie sich ihre Badehosen auszogen, fragte Wally, ob er sie sich noch einmal ansehen dürfe. Tommy antwortete, dass die Waffen im Keller weggeschlossen seien und nur Ray einen Schlüssel besitze.
»Eine Waffe schließt er aber nicht ein.«
»Wirklich?«
»Ich darf es eigentlich nicht wissen. Willst du sie sehen?«
Sie gingen ins Haus und vergewisserten sich, dass Dolores in der Küche beschäftigt war. Dann stiegen sie die Treppen hinauf und trippelten auf Zehenspitzen wie zwei Diebe über den Treppenabsatz in Dianes Schlafzimmer und zum Nachttisch an Rays Bettseite.
»Versprich mir, dass du es niemandem verrätst«, flüsterte Tommy.
»Ich schwöre.«
|284| »Ray würde wütend wie eine Klapperschlange, wenn er wüsste, dass ich sie dir gezeigt habe.«
»Ich habe gesagt, ich schwöre.«
»Großes Indianerehrenwort!«
»Mann, Tommy. Okay, großes Indianerehrenwort.«
Tommy zog die Schublade auf, und sie starrten auf den Revolver. Er glänzte stumpf und geheimnisvoll.
»Wow«, sagte Wally. »Eine Smith and Wesson.«
»Eine Achtunddreißiger. Wie die Knarre von Sergeant Friday aus
Dragnet
.«
Wally griff danach, aber Tommy befahl ihm, den Revolver nicht anzurühren.
»Warum nicht? Wer soll es denn erfahren?«
»Das Ding ist geladen.«
»Na und? Sei kein Feigling.«
Wally nahm die Waffe und hielt sie vorsichtig.
»Eine echte Schönheit.«
»Ja ja.«
Wally umschloss den Griff mit seiner Rechten und richtete sie auf Tommy.
»Okay, Mister, Hände hoch.«
»Wally. Nicht! Die ist geladen, du Idiot!«
»Schon gut. Mach dir nicht in die Hose. Außerdem ist sie gesichert, du Trottel.«
»Leg sie zurück. Sofort!«
Wally seufzte, gehorchte aber.
»Aha! Was haben wir denn hier?«
Er nahm eine Plastiktüte, die Ray dort
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