Die Witwe
Prophet wird gleich
herüberkommen, Lieutenant.«
»Großartig«, sagte ich.
Ich zündete mir eine Zigarette
an und blickte auf Bennett. Er lächelte mir vage zu und schnippte dann
plötzlich mit den Fingern. »Das hätte ich doch beinahe vergessen, Lieutenant — ich
habe heute früh meinen Wagen zurückerhalten. Vielen Dank.«
»Es war mir ein Vergnügen«,
sagte ich. »Sie sollten der Abteilung des Sheriffs danken.«
»Das werde ich gewiß tun«,
sagte er. »Haben Sie übrigens dabei auch Charlie gefunden?«
»Klar!« sagte ich.
»Ja?« Er blickte interessiert
drein. »Was ist mit ihm?«
»Er ist tot.«
»Oh!«
Ich lehnte mich zurück und
rauchte meine Zigarette, wobei ich mir selbstzufrieden überlegte, daß es zwei
Berufe gibt, bei denen man sich anderen Leuten gegenüber wirklich scheußlich
benehmen kann. Der eine ist der eines Polizeibeamten und der andere der eines
Zeitungskolumnisten.
Die Bürotür öffnete sich, und
da ich gar nichts hörte, nahm ich an, daß es der Prophet in seinen Sandalen
war. Er trat auf den Schreibtisch zu und drehte sich dann um, während er aus
hellblauen Augen auf mich herabstarrte und sich sein Bart streitlustig
sträubte. »Sie wollten mit mir sprechen?« fragte er mit seiner klangvollen
Stimme.
»Ja«, sagte ich. »Ich möchte
ein paar Fragen an Sie stellen.«
»Noch mehr Fragen?«
»Wir haben nach wie vor zwei
ungeklärte Mordfälle«, erinnerte ich ihn. »Und ich möchte wegen Charlie Elliott
Fragen an Sie richten, eine Menge Fragen. Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Ich ziehe vor zu stehen«,
sagte er. »Bitte kommen Sie gleich zur Sache. Meine Zeit ist kostbar.«
»Vielleicht zahlt Ihnen das
County etwas dafür«, sagte ich. »Schicken Sie doch dem Sheriff eine Rechnung.«
»Bitte«, sagte er mit
ausdrucksloser Stimme. »Muß ich wirklich hier stehen und mir Ihre trivialen
humoristischen Versuche mit anhören?«
»Ich hatte Ihnen eine Chance
geboten, sie sich sitzend anzuhören«, sagte ich. »Wußten Sie, daß Charlie
Elliott einige Ihrer Anhänger erpreßt hat?«
»Nein.«
»Sie hat er nicht erpreßt?«
»Mich, den Propheten des
Sonnengottes?« Er starrte mich verblüfft an. »Wagen Sie, mir zu unterstellen,
daß ich mich eines Verhaltens schuldig mache, das zu einem Erpressungsmanöver
Anlaß geben könnte?«
Bennett räusperte sich. »Lieutenant,
Sie dürfen die Tatsache nicht außer acht lassen, daß
der Prophet ein, nun ein seiner Sache ergebener Mann ist.«
»Das bin ich auch«, sagte ich.
»Ich bin Frauen ergeben. Wem ist er ergeben?«
»Ich bin dem Sonnengott
ergeben«, sagte der Prophet mit leuchtenden Augen. »Ich bin sein Prophet hier
auf Erden. Ich bin hier, um sein Wort unter die Menschen zu verbreiten.«
»Und seine Saat ebenfalls?«
Er sah wieder auf mich herab. »Ich
verstehe nicht.«
»Die Leute, die Elliott
erpreßte, waren dieselben, die Ihren kleinen Zeremonien beiwohnten«, sagte ich.
»Sie wissen doch, welche ich meine? Die Fruchtbarkeitsriten des Sonnengottes.«
Er schlug gleichmütig die Arme
auf der Brust übereinander. »Das sind geheiligte Riten des Sonnengottes. Wie
kann er es wagen, das Ritual zu beschmutzen, das...«
»Möglicherweise sind sie dem
Sonnengott heilig«, sagte ich. »Für die meisten anderen Menschen sind sie
einfach unmoralisch.«
»Aber nicht ungesetzlich«,
sagte Bennett schnell. »Alle, die an den Fruchtbarkeitsriten teilgenommen
haben, haben es aus eigenem freiem Willen getan, und alle waren erwachsene
Leute über einundzwanzig.«
»Haben Sie sich das sogar
schriftlich geben lassen?« sagte ich.
»Der Sonnengott verlangt
Gehorsam«, sagte der Prophet. »Die, welche ihm folgen, müssen ihn anbeten und
an seinen Ritualen und Zeremonien teilnehmen! Er verlangt Opfer von ihnen. Er
verlangt ihre volle Untertanentreue! Wenn sie sich ihm nicht ergeben, dann wird
er sie mit seinem Fluch belegen!«
Seine Stimme schwoll an wie
eine Hammond-Orgel, bei der sämtliche Register gezogen werden. »Und wenn sie
sich nicht dem Sonnengott hingeben, dann wird der Tag kommen, an dem die Sonne
nicht mehr aufgeht und Dunkelheit die Erde bedeckt, und alles auf ihr wird
sterben und verderben.«
»Zwei Leute haben wir bereits,
die gestorben und verdorben sind«, sagte ich. »Das ist der Grund, weshalb ich
hier bin.«
Der Prophet schien mich nicht
gehört zu haben. Er stand unbeweglich da, einen verzückten Ausdruck auf dem
Gesicht.
»Wenn wir schon von Opfern
reden«, sagte ich, »Sie haben prophezeit, daß große
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