Die Witwe
Öffentlichkeit dringen?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Vielleicht nicht. Sowohl Weisman als auch Charlie sind tot. Es hängt davon ab,
ob die Erpressung ein Motiv für Weismans Ermordung bildete oder nicht.«
»Ich glaube nicht, daß ich das
ertragen könnte«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich würde sterben,
wenn die Zeitungen davon erführen.«
»Ich sehe die Schlagzeilen vor
mir«, sagte ich. »Fruchtbarkeitsriten des Sonnengottes! Damen der Gesellschaft
stolzieren nackt unter dem Licht des Mondes umher!«
Ich begann zu lachen und konnte
nicht mehr aufhören. Je mehr ich darüber nachdachte, desto komischer wurde es.
Ich taumelte zur Couch hinüber
und brach, noch immer brüllend vor Gelächter, neben Candy zusammen.
Etwa zehn Sekunden später hörte
ich plötzlich auf zu lachen, als Candy mir eine Ohrfeige verpaßte. Ich blickte
sie verblüfft an. »Wofür habe ich die bekommen?«
»Mein Leben wird ruiniert«,
sagte sie hysterisch, »und du stirbst vor Lachen.«
»Süße«, sagte ich, »es ist
wirklich gar nicht so entsetzlich. Wenn man es sich recht überlegt, ist es sehr
komisch.«
»Du Kretin!« sagte sie
angeekelt.
»Wie?«
»Begreifst du denn nicht, daß
darin die Stärke ihrer Erpressungsmethode lag? In der Angst jedes einzelnen,
ausgelacht zu werden. Man kann sich mit dem Ruf eines Ehebrechers oder einer femme fatale abfinden. Es kann
fast erregend sein, einen zerstörten Ruf zu haben; dem kann sogar ein gewisser
Glanz anhaften. Aber zum Gegenstand des Gelächters zu werden! Begreifst du denn
nicht, was geschieht, wenn die Zeitungen davon erfahren? Es gäbe Schlagzeilen von
einer Küste zur anderen. Wo auch jeder einzelne von uns hinkäme, überall würde
ihm für den Rest seines Lebens diese Sache mit den >Fruchtbarkeitsriten des
Sonnengottes< anhaften. Und du Riesengorilla sitzt da und lachst.«
»Es tut mir leid«, sagte ich ergeben.
»Mach, daß du rauskommst!«
»Ja, Ma’am.«
Ich war schon beinahe an der
Tür, als die Kaffeekanne durch die Luft auf mich zusauste. Ich duckte mich
rechtzeitig, und sie prallte am Türrahmen ab, eine Kaffeespur auf dem weißen
Teppich in Richtung Couch hinterlassend, während sie zurückrollte.
»Nun sieh mal, was du getan
hast!« schrie Candy. »Du hast meinen Teppich ruiniert.«
Ich verließ eilig das
Dachgartenappartement und fuhr im Aufzug in den Vorraum hinab. Meine Füße
versanken knöcheltief im Teppich, als ich auf die Haustür zuging.
»Darf ich Ihnen ein Taxi
bestellen, Sir?« fragte der Portier, während er mir die Tür öffnete.
»Das ist ein sehr hübscher
Gedanke«, erklärte ich ihm in aufrichtigem Ton. »Und dabei ist noch nicht
einmal Weihnachten.«
Ich fuhr mit dem Healey durch
die Stadt zum Büro des Sheriffs. Als ich ins Vorzimmer trat, sah ich eine
deprimiert wirkende Gestalt mit herabhängenden Schultern auf Annabelle Jacksons
Schreibtisch sitzen. Annabelle selbst war mit Maschineschreiben beschäftigt. Ich
fragte mich, wer wohl die Leute waren, an die Lavers die ganze Zeit über
schrieb. Vielleicht sollte ich einmal Annabelle danach fragen — aber der
Ausdruck ihres Gesichtes verriet mir, daß wir einander nichts zu sagen hatten.
»Guten Morgen, Sergeant«, sagte
ich freundlich.
Polnik unterzog sich der
Anstrengung, seinen Kopf um einen Zentimeter zu heben und schielte mich aus
rotumränderten Augen an. »Guten Morgen, Lieutenant«, sagte er heiser. »Haben
Sie diese Nacht irgendwann geschlafen?«
»Nein«, sagte ich. »Aber es hat
sich gelohnt.«
»Begreifen Sie?« sagte
Annabelle Jackson, ohne sich an einen Bestimmten zu wenden. »Der
leidenschaftliche Liebhaber aus dem Dachgartenappartement!«
»Woher die lyrischen
Anwandlungen?« fragte ich. »Haben Sie was gefunden, das sich auf >Peter<
reimt! Wie wär’s mit >plumpes Plebsgezeter«
Sie zuckte mit keiner Wimper.
Nun, man konnte nicht immer ins Schwarze treffen. »Wieso arbeiten Sie an einem
Sonntag?« fragte ich.
»Weil mich Sheriff Lavers um
diesen Gefallen gebeten hat«, sagte sie. »Und zudem werde ich dafür bezahlt.«
»Das klingt einleuchtend«,
sagte ich. »Sind Sie wegen irgend etwas wütend auf mich?«
»Ich?« Sie lachte schrill.
»Warum sollte ich wütend auf Sie sein? Ich habe mich am Freitagabend, als Sie
mich ausführten und dann verließen, prachtvoll amüsiert. Ich glaube, Sie haben
sich in Dachgartenappartements und sonstwo auch
prächtig unterhalten. Warum sollte ich wütend auf Sie sein?«
»Ich meine nur«, sagte
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