Die Witwe
ich
lahm.
»Ich bin nur zu einem Entschluß
gekommen«, sagte sie freundlich. »Ich habe mich entschlossen, nicht mehr mit
älteren Männern auszugehen. Von nun an halte ich mich mehr an Männer meines
Alters. Wissen Sie, an die, die ungefähr zehn Jahre jünger sind als Sie, Al.«
»Autsch!« Ich zuckte zusammen.
»Lassen Sie mal nachrechnen«,
sagte sie. »Sie sind jetzt so um die Vierzig rum, nicht wahr?«
»Ich bin noch nicht annähernd
vierzig!« brüllte ich.
»Was — wirklich nicht?« Sie
blinzelte überrascht mit ihren babyblauen Augen. »Na, ich muß schon sagen, Sie
sehen aber so aus!«
»Wenn ich an all die herrlichen
Brathühnchen denke, die sie im Süden unten haben«, sagte ich. »Und uns müssen
sie ausgerechnet eines halbgar heraufschicken.«
»Der Sheriff erwartet Sie in
seinem Büro, Lieutenant«, sagte Annabelle kalt. »Er hat erklärt, Sie brauchen,
wenn Sie nicht bis halb zehn Uhr da seien, gar nicht mehr erst zu ihm
hineinzukommen — Sie könnten Ihre Dienstmarke hier draußen abgeben. Es ist
jetzt genau neun Uhr neunundzwanzig.«
»Frag nicht, wem die Stunde
schlägt«, murmelte ich und schoß auf Lavers’ Büro zu.
Lavers saß über seinen
Schreibtisch gekauert da wie ein Raubvogel — wie ein fetter Raubvogel, der
soeben eine aus Lieutenants der Mordabteilung bestehende Mahlzeit verschlungen
hat. »Wie nett von Ihnen, hierherzukommen, Wheeler«, sagte er freundlich. »Ich
habe Ihnen hoffentlich nicht den Vormittag verpatzt?«
»Nein, Sir«, sagte ich
vorsichtig.
»Solch ein schöner Morgen«,
sagte er. »Wie die Sonne scheint und wie blau der Himmel ist. Die meisten Leute
nutzen den prachtvollen Tag aus. Sie haben vielleicht bemerkt, Lieutenant, daß
die Stadt beinahe verlassen ist?«
Ich überlegte, daß es
vielleicht besser war, ihn aufzuheitern. »Ja, Sir«, sagte ich.
»Vielleicht haben Sie auch
gefragt, wohin alle die Leute an diesem schönen Sonntagmorgen gegangen sind,
Lieutenant?«
»Nun... Ja, Sir, das habe ich
getan, Sir.«
Er stand von seinem Stuhl auf
und schmetterte seine Faust auf den Schreibtisch, daß Federhalter und Papiere
davonflogen.
»Ich will Ihnen sagen, wohin
sie verschwunden sind!« schrie er. »Sie sind alle bei Sonnenaufgang auf den
Bald Mountain gefahren, dahin sind sie verschwunden! Und sie haben alle gehört,
wie dieser verdrehte Prophet die Sonne begrüßt hat! Und die verdammten Idioten
haben alle tief in ihre Taschen gegriffen und ihm für seinen verdammten Tempel,
der nie gebaut wird, ihr hart verdientes Geld gegeben. Das haben sie getan!«
Er plumpste auf seinen Stuhl
zurück und sah mich bösartig an. »Ich habe es Ihnen gesagt, bevor all diese
Scherereien begonnen haben. Wheeler, erinnern Sie sich? Ich habe gesagt, dieser
Prophet ist ein Schwindler! Ich habe gesagt, er wird mit diesen hunderttausend
Dollar verschwinden! Wir müssen ihn aufhalten!«
»Haben Sie gesagt.«
Lavers glotzte mich an. »Hören
Sie auf, mich zu unterbrechen, wenn ich rede. Zufällig bin ich Countysheriff , und Sie arbeiten für mich. Ist das klar?«
»Ja, Sir.«
»Halten Sie den Mund! Hören Sie
zu, Wheeler. Es ist mir gleich, was Sie heute tun und wie Sie es tun. Aber heute abend bei Sonnenuntergang werden Sie mit dem Mörder oder
den Mördern herausrücken, die das Grant-Mädchen und Weisman umgebracht haben.
Begriffen?«
»Ja, Sir.«
»Sie sollen den Mund halten!
Und heute abend bei Sonnenuntergang wird der Prophet
nach wie vor oben auf dem Bald Mountain sein und das ganze Geld mit ihm! Führen
Sie meine Befehle aus, und der Rest des Tages gehört Ihnen.«
»Danke, Sir.«
»Nun? Warum lungern Sie noch
hier in meinem Büro herum? Haben Sie nicht genug zu tun?«
Ich trottete aus seinem Büro
und schloß die Tür hinter mir.
»Polnik!« Ich tippte dem
Sergeanten auf die Schulter und er fiel beinahe vom Schreibtisch.
»Lieutenant?« stöhnte er.
»Wir haben einen hübschen
arbeitsreichen Tag vor um.«
»Das habe ich gehört,
Lieutenant.«
»Sie haben es bereits gehört?«
»Man hat es im Rathaus gehört,
und das liegt sechs Häuserblocks weit entfernt«, sagte er bedrückt. »Der
Sheriff hat eine weittragende Stimme, wenn er aufgeregt ist.«
»Er war nicht aufgeregt, nur
irre«, sagte ich.
»Jawohl, Lieutenant«, sagte
Polnik. »Wohin gehen wir?«
»Hinaus in den Sonnenschein, Brüderchen«,
sagte ich, »in die prächtige frische Luft.«
»Lieutenant«, sagte Polnik
düster, »sind Sie auch übergeschnappt?«
»Wir fahren, um dem
Weitere Kostenlose Bücher