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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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ich nun hinter der Eisbahn, schwanger und so einsam wie nie zuvor. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht zu weinen, und trotzdem laufen mir heiße Tränen übers Gesicht. Ich renne los, einfach los. Mein Zuhause liegt in der anderen Richtung, aber meine Füße wollen mich einfach nur forttragen, Hauptsache fort. Ches läuft mir nach und ruft mir zu, ich solle warten, doch ich will ihn niemals wiedersehen. Ich haste weiter, trotz Seitenstechen und brennender Lunge. Natürlich holt er mich ein, denn er ist ein magerer Teenager und ich nun mal ein dickes schwangeres Mädchen. Falle ich oder reißt er mich nach unten? Plötzlich liege ich neben Ches auf der kalten Erde, zwischen hohem Gras und Wildblumen, und Ches entschuldigt sich, er habe sich wie ein Arschloch benommen. Er legt seinen Mund auf meinen. Er schmeckt nach Zigaretten und Diesel.
    Ich bin in der zwölften Woche schwanger und erlebe meinen ersten Kuss.
    Mittlerweile habe ich mich an den Küchentisch gesetzt. Wie soll ich das Marianne bloß beibringen? Sie ist jetzt fast in dem Alter, in dem ich Ches traf. Meine Teetasse stelle ich auf einen Stapel unbezahlter Rechnungen, sie verziert die Umschläge mit einem braunen Kreis. Als ich aufsehe, erblicke ich Marianne. Sie beobachtet mich vom Türrahmen aus, in der einen Hand ihre Postertafel mit den vielen Kästchen, Pfeilen, Bildern und Worten – Marianne nennt das ein Flowchart – und einem kleinen Glasbehälter mit ihrem Parfum in der anderen Hand. Marianne sieht mich wissend an, zuckt mit den Schultern und wendet sich ab. Kein Wort wurde gesprochen, und doch ist alles gesagt. Die Enttäuschung auf dem Gesicht meiner Tochter kann ich schon schwer ertragen, aber dass sie auch noch versucht, ihren Kummer zu verbergen, bricht mir das Herz.

Kapitel 3
    Prissy
    Bei Lawlor’s, Tankstelle, Mini-Markt und Diner zugleich, geht es gemächlich zu. Es ist fünfzehn Uhr, zu früh fürs Abendessen und zu spät fürs Mittagessen. In einer Nische hinten im Restaurant warte ich mit meinem Sohn auf unsere Deluxe-Hamburger. Lawlor’s ist ein altmodischer Ort, mit getäfelten Wänden und Ölgemälden von Schiffen und Leuchttürmen. Ich fühle mich völlig fehl am Platz, dabei bin ich nur wenige Minuten von meinem Elternhaus entfernt. Erst konnte ich nicht schnell genug nach Paradise Bay kommen, aber nun, da ich endlich hier bin, wäre mir jeder andere Ort lieber, vor allem unter diesen Umständen.
    Die Kellnerin bringt das Essen. »Lassen Sie sich’s schmecken!« Sie ist so schwungvoll, als wäre sie dankbar, dass sie etwas zu tun hat. »Wenn Sie noch was brauchen, sagen Sie’s.«
    Ich lächle geistesabwesend und danke ihr. Quentin macht aus seinem Widerwillen gegen das Essen keinen Hehl. Er rümpft die Nase, kaum dass uns die Kellnerin den Rücken zugedreht hat.
    »Hast du ein Problem damit?«
    »Nichts«, grummelt er seine aktuelle Standardantwort.
    »Na komm, iss.« Ich nage an einer Fritte herum.
    »Kann ich nich. Das ist krass eklig.«
    »Was soll daran eklig sein?« Erstaunlich, dass ein Vierzehnjähriger Hamburger und Fritten eklig finden kann.
    »Alles viel zu dick«, sagt Quentin, als würde ich das Offensichtliche nicht begreifen.
    Quentin ist an schnürsenkeldünne Fritten und Hamburger von McDonald’s gewöhnt. Auf unserem Teller aber liegen dicke, goldgelbe Fritten, und zwischen den Brötchenscheiben ist das Fleisch deutlich sichtbar.
    »Tja, so muss ein Hamburger eigentlich sein«, erwidere ich.
    »Sagt wer?«
    »Sage ich. Mein Hamburger schmeckt köstlich«, verkünde ich im Brustton der Überzeugung, obwohl ich erst einen Bissen gegessen habe und schon jetzt Sodbrennen bekomme. So viel Fett habe ich seit Jahren nicht zu mir genommen, nicht seit Howie penibel auf seine Ernährung achtet und erst einmal jeden Aufdruck liest. Dennoch meine ich, das hiesige Essen verteidigen zu müssen, und sei es auch nur, weil Quentin so mäkelig ist. Ich fühle mich selbst wie ein bockiges Kind, dabei hatte ich doch, als ich vor einer halben Stunde auf den Parkplatz gefahren war, ganz die verständnisvolle Mutter sein wollen.
    Ich hatte gehofft, in letzter Minute mit Quentin noch ein offenes Gespräch zu führen. Obwohl wir fast den ganzen Tag von Ontario nach Neufundland unterwegs waren, haben wir kaum darüber geredet, warum wir plötzlich ohne Howie nach Paradise Bay aufgebrochen sind, zumal die Schulferien erst nächste Woche beginnen. Ich hatte das beim Essen besprechen wollen.
    Aber als die Kellnerin Quentin die

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