Die Witwen von Paradise Bay - Roman
die Scheidung verlangen! Howie hat sich selbst gegen den Vorschlag gesperrt, zu einer Eheberatung zu gehen, aber das passt zu Howie. Wenn er erst einmal eine Entscheidung getroffen hat, bleibt er dabei.
Dass er mit einer anderen Frau zusammen ist, wurde mir daran deutlich, dass er meinen Fragen auswich. Ich wollte jedes Detail wissen, zu seiner Affäre und zu der Frau, die mit meinem Ehemann schläft. Wie heißt sie? Wie alt ist sie? Wo habt ihr euch kennengelernt? Wann hattet ihr zum ersten Mal Sex? Wie oft? War es gut? Ist sie besser als ich?
»Hör auf, dich so zu quälen«, hatte Howie gedrängt. Ihm waren die Fragen sichtlich unangenehm.
»Ich quäle mich ja nicht, sondern du!«, hatte ich geschrien.
Er hat mir versichert, seine Untreue sei auf einige wenige Male beschränkt gewesen und die Sache sei vorbei, was die Frage aufgeworfen hat, warum er sich dann noch scheiden lassen will. »Wir sind doch schon lange unglücklich«, war seine Antwort, und ich bin vor Schmerz zusammengezuckt. Howie zeigte sich von meiner Reaktion einigermaßen überrascht. »Ach, Prissy. Wir wissen beide, dass unsere Ehe seit Monaten dem Ende entgegengeht, womöglich seit Jahren.« Aber ich hatte das nicht gewusst.
Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und nur leise in mein Kissen geweint, um ein Mindestmaß an Würde zu bewahren. Howie hat in Quentins Bett geschlafen, und ich habe ihn im Stillen verflucht, dass er auch noch die Frechheit besaß, ein warmes Bett zu haben, wo er doch auf der Couch hätte liegen müssen, dem Verbannungsort aller betrügerischen Ehemänner. Am nächsten Morgen ist Howie unter dem Vorwand aus dem Haus gegangen, er müsse arbeiten. An einem Samstag! Natürlich war das eine Lüge, aber entweder war es ihm zu unangenehm, in meiner Nähe zu sein, oder er wollte gleich zu seiner Geliebten laufen und verkünden: »Es ist vollbracht! Ich habe sie verlassen! Jetzt müssen wir unsere Liebe nicht länger verheimlichen.«
Ich habe meine Mutter angerufen, weil ich nicht wusste, wem ich es sonst erzählen sollte. Eigentlich hatte ich erwartet, »Ich hab’s dir ja immer gesagt« zu hören, dabei hatte mich meine Mutter nie vor Howie gewarnt. Sie war im Gegenteil so von ihm hingerissen, dass sie mir in meinen Ehemann oft verliebter schien als ich. Allerdings behauptet meine Mutter gerne, sie hätte etwas kommen sehen, wenn es tatsächlich eingetreten ist. Das hätte ich dir vorher sagen können , ist einer ihrer Lieblingssprüche. Aber nach einer kleinen Weile sagte sie nur: »Komm nach Hause. Wir kümmern uns darum.«
Und das tat ich, ganz die folgsame Tochter. Als Howie von der Arbeit zurückkehrte, hatte ich meine und Quentins Koffer schon gepackt und alles in die Wege geleitet. »Nur für ein paar Wochen«, sagte ich. »Das ist wahrscheinlich das Beste für alle Beteiligten.« Howie hatte geradezu erleichtert gewirkt.
Die Fahrt durch Paradise Bay ist wie die Begegnung mit einem alten Freund. Die Route 80, der Baccalieu Trail, verläuft entlang der Atlantikküste Neufundlands. An ihm reihen sich kleine Ortschaften auf, die teilweise schon vor 400 Jahren entstanden, als üppige Fischgründe die ersten Bewohner lockten. Es ist die reinste Postkartenidylle aus schroffen Felsen und pittoresken Häuschen.
Im Wind flattert Wäsche: Handtücher, Laken, Unterhemden und Babysachen voller Milchflecken. Am Straßenrand fahren Quads, und die unbehelmten Fahrer manövrieren um handgeschriebene Schilder für Brennholz herum. Vor mir taucht Hayward’s Laden auf. Ich ziehe eine Grimasse und versuche vergeblich, nicht an meine erste Begegnung mit Howie zu denken. Ein Neonschild kündet vom kältesten Bier der ganzen Bucht und vom Jackpot des Atlantic Lotto, der aktuell bei drei Millionen Dollar steht. Ich konzentriere mich wieder auf die gewundene Straße und suche nach dem Abzweig zum Haus meiner Mutter.
Warum findet man immer erst in Notsituationen heim? Zuletzt war ich vor zwei Jahren hier, zur Beerdigung meines Vaters. Damals ist Howie gefahren, bei kaltem Oktoberregen, ich hatte mein Gesicht gegen das Fenster des Mietwagens gedrückt. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich nicht dabei gewesen war, aber das hatte niemand vorhersehen können. Mein Vater war nicht krank gewesen. Er hatte zu Abend gegessen, mit meiner Mutter einen Tee getrunken und sich dann auf die Couch gelegt, um die Nachrichten zu sehen. Kurz vor dem Wetterbericht hatte er die Augen geschlossen und nie wieder geöffnet.
Alle, auch
Weitere Kostenlose Bücher