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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Beerdigung tun wollen, aber aus Respekt für Joseph hatte ich meine Gefühle gezügelt. Nun aber konnte ich mich nicht länger beherrschen. Ich stieg aus dem Wagen, schlug die Tür zu und lief schreiend auf ihn zu.
    »Was zur Hölle treibst du hier?«, brüllte ich, wohl wissend, dass ich eine Szene machte. Die Umstehenden ließen die frischen Karotten links liegen und starrten mich an, wie ich mit rotem Kopf und vor Zorn bebend dastand.
    »Warum dieses Affentheater, Georgia?« Fred klang barsch, und ich war außer mir, dass er sich auch noch benahm, als wäre mein Verhalten unangebracht. »Du solltest nach Hause fahren«, sagte er wie ein verärgerter Vater zu einem ungehörigen Kind.
    »Nein, du solltest nach Hause fahren!«, schrie ich, rasend vor Wut.
    Fred biss sich auf die Lippen, als überlegte er sich eine gute Formulierung. »Ich glaube, es ist am besten, wenn du nach St. John’s zurückfährst. Wir beide müssen uns wirklich nicht über den Weg laufen.« Ich konnte kaum fassen, dass er es wagte, mich zum Gehen aufzufordern, wo er doch, so fand ich, aus Paradise Bay verbannt gehörte.
    Dennoch wandte ich mich ab und ging. Ich konnte Freds erleichterten Seufzer in meinem Rücken regelrecht spüren, aber am nächsten Tag kam ich zurück, mit fünfzig Blöcken Karamell und einem handgeschriebenen Schild, auf dem in schwarzem Filzstift stand: Hausgemachter Karamell zu verkaufen . Fred lief vor Wut violett an.
    »Hau verdammt noch mal ab, Georgia, und quäl mich nicht. Ich versuch doch bloß, mir was dazuzuverdienen.«
    Ich sah ihm direkt in die Augen und sagte, ich würde von nun an täglich hier aufkreuzen, um ihn daran zu erinnern, was er mir genommen habe. Ich hatte erwartet, dass er mir etwas Obszönes an den Kopf werfen, mir etwas so Entsetzliches sagen würde, dass ich die Stadt verlassen müsste, aber er wurde ganz still. Man konnte beinahe zusehen, wie der Ärger aus seinem Körper wich und an seine Stelle eine Verzweiflung trat, die meiner nahekam. Er rückte seine Baseballmütze zurecht und knackte mit den Fingern.
    »Daran brauchst du mich wirklich nicht zu erinnern. Ich denke jeden Tag in jeder verdammten Minute daran.«
    Dann stieg er in seinen Wagen und raste mit einer Fuhre frischen Gemüses, das nun vermutlich verrotten würde, davon, und da stand ich nun, allein am Rand des Trans Canada Highway mit einer Kiste voller schmelzenden Karamells. Ich blieb vier Stunden lang in meinem Wagen sitzen und sah den Autos hinterher, dann gab ich mich geschlagen und fuhr nach Hause. Aber am nächsten Tag kam ich mit neuer Entschlossenheit zurück, und Fred ebenso. Er beachtete mich nicht und ich ihn nicht.
    Für die Ortsansässigen waren wir ein gefundenes Fressen. Aber die allgemeine Neugier führte dazu, dass ich abends leere Schachteln und eine volle Kasse hatte. Daraufhin brach in Paradise Bay das Geschäftsfieber aus. An einem ungewöhnlich kühlen Sommermorgen erschien Ellie Briggs mit einem Stapel selbstgestrickter Pullover, der sich innerhalb weniger Stunden verkaufte. Andere folgten ihrem Beispiel. Plötzlich hatte jeder etwas anzubieten: Türmatten, Wollstrümpfe, Obstkonserven oder Vogelhäuser im Stil hiesiger Architektur. Die Polizei drohte, den improvisierten Markt zu schließen, weil er zu Verkehrsbehinderungen führte. Ich dachte damals, das wäre das Aus, aber Fred sorgte dafür, dass der Regionalmarkt von Paradise Bay, wie er ihn nannte, auf das Powers’ Field ziehen konnte. Fred bewirkte beim Transportminister, dass am Trans Canada Highway zwei Schilder aufgestellt wurden, eines an der Ausfahrt zur Route 80 nahe Whitbourne und eines am Veterans Memorial Highway. Es gelang Fred sogar, den Tourismusminister zu bezirzen, unseren Markt in den örtlichen Touristenführer hineinzusetzen, und dieses Jahr hat Fred öffentliche Mittel aufgetrieben, um offene Zelte zu erwerben, die uns vom Wetter unabhängig machen.
    Der Markt motivierte mich, endlich etwas zu unternehmen, wenn auch aus unlauterer Absicht. Ich imitierte Freds lässige Art und sprach mit Wildfremden über das Wetter, die Fischerei und allen möglichen anderen Unsinn, der mir vollkommen gleichgültig war. Auf Außenstehende muss ich ganz normal gewirkt haben, wie eine junge Frau, die eine entsetzliche Tragödie erlitten, aber nun die Kraft gefunden hatte, sich ein neues Leben aufzubauen.
    Ob Clara das ebenfalls so sieht? Ob sie mich deshalb gebeten hat, mit Prissy zu sprechen? Ich bringe es nicht übers Herz, Clara zu sagen, dass das

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