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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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alles Fassade ist, dass ich nach jeder Rückkehr vom Markt in der Stille meines Wohnzimmers versinke. Niemand wartet auf mich, niemand fragt, wie mein Tag war, bittet mich, Fish and Chips zu holen oder meine Meinung zu den Nachrichten zu sagen. Mein Dasein ist so traurig und elend, so ungeheuer einsam, wie konnte ich da zustimmen, mich um Prissy zu kümmern? Wie soll ich ihr helfen, ihren Kummer zu überwinden, wo ich doch meine eigene Trauer nicht bewältigen kann?

Kapitel 5
    Prissy
    Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und drehe mich zur Wand, um der Mittagssonne zu entkommen. Warum kann es nicht regnen oder wenigstens nieseln? Die Sonne scheint so hell, dass Staubkörnchen in den Sonnenstrahlen tanzen, die durch die Musselinvorhänge dringen.
    In meinem alten Zimmer werde ich wieder zum Kind. Meine Mutter hat nur wenig verändert, obwohl ich das Haus vor fünfzehn Jahren verlassen habe. Die Wände sind nun in einem zarteren Gelb gestrichen und die Kätzchen-Poster verschwunden, doch alles andere ist unberührt. Die Schäbige Anne lehnt immer noch an dem Patchworkquilt, den meine Mutter und ich in dem Winter genäht haben, als ich nacheinander die Windpocken und die Grippe hatte. Abgesehen von dem rustikalen Regal, auf dem meine mittlerweile vergilbte Auszeichnung in Literatur steht, sind die Wände leer. Ich versuche, tiefer unter die Decke zu kriechen, aber mein Haar bleibt im Weidengeflecht am Bettkopf hängen. Ich muss mich aufsetzen, um mich zu befreien.
    Der Wecker zeigt 12:02. Eigentlich müsste meine Mutter jeden Moment ins Zimmer poltern und mir eine Standpauke halten, weil ich schon den ganzen Vormittag mein Selbstmitleid pflege. In Toronto ist es erst halb elf, was ich zu meiner Verteidigung vorbringen werde, wenn meine Mutter kommt und laut wird. Natürlich sollte ich mich zusammenreißen, besonders wegen Quentin, aber ich kann nicht. Ich muss immerzu daran denken, dass Howie mich nicht mehr liebt, und dieses Wissen zerreißt mich.
    Ich setze mich auf die Bettkante und betrachte mein Spiegelbild. Meine Augen sind geschwollen, ich habe ja die halbe Nacht geweint, und die dunklen Ränder lassen mich hager wirken, aber das wird sich ändern, wenn ich erst einmal richtig geschlafen habe. Alles in allem habe ich mich gut gehalten, obwohl sich mit fünfunddreißig ohnehin noch nicht die Spuren der unerbittlich nagenden Zeit zeigen sollten. Meine Haut ist glatt, und ich musste mir auch nie die Haare färben. Der Schnitt könnte ein wenig aktualisiert werden, aber ich binde mein Haar gerne zu einem jugendlichen Pferdeschwanz zusammen oder bändige es lässig mit einem Clip. Howie hat einmal gesagt, dass ihn mein Lächeln verzaubert habe, und bei dem Versuch, es nachzumachen, zittern meine Lippen, und ich breche erneut in Tränen aus.
    Howie hatte keine Affäre, weil ich fett geworden bin oder mich gehen ließ. Wahrscheinlich fand er mich schlichtweg langweilig. »Oh Gott, was soll ich tun?«, flüstere ich meinem Spiegelbild so eindringlich zu, als würde ich mich einer realen Person anvertrauen und auf einen Rat warten. Wie schlimm meine Lage wirklich ist, wird mir erst langsam bewusst. Ich habe keine Ausbildung, keine Berufserfahrung, nicht einmal einen Collegeabschluss.
    Ich kenne die Gesetzeslage kaum, aber irgendeine finanzielle Entschädigung steht mir bestimmt zu. Howie hat so etwas gesagt. Aus seinem Mund hatte es geklungen, als wäre damit alles wieder gut, und genau deshalb will ich gar nichts von ihm. Jetzt muss ich mich beweisen. Leise regt sich eine Art Motivation. Ich muss einen Job finden, ein Konto eröffnen und mich um einen Sparplan fürs Alter kümmern. Ich werde Howie schon zeigen, dass ich prima ohne ihn zurechtkomme. Ausgerechnet bei dem Gedanken muss ich erneut weinen.
    Das Telefon klingelt, aber ich beachte es nicht. Es klingelt seit acht Uhr morgens ununterbrochen, und auch die Türglocke schellt ständig. Ich wusste nicht, dass meine Mutter so beliebt ist, aber hier in Paradise Bay besucht man sich häufig. Ich lege mich wieder hin und versuche, das Klingeln zu überhören.
    »Prissy!«, ruft meine Mutter von unten. »Telefon für dich. Es ist Howard.«
    Mein Herz macht einen Satz, ich springe so schnell aus dem Bett, dass mir schwindelig wird. Ich renne in den Flur und setze mich an den alten Telefontisch. Es ist faszinierend, dass man vor gar nicht so langer Zeit spezielle Möbel kaufte, damit man sich beim Telefonieren hinsetzen konnte und einen Platz hatte für das gigantische

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