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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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all die Weihnachtsfeste, Geburtstage und Ostertage, an denen ich allein sein würde. Einmal, aus heiterem Himmel, ist mir eingefallen, dass ich ihn angefahren hatte, weil er seinen dreckigen Teller auf dem Kaffeetisch stehenlassen hatte. Im nächsten Moment schon hatte mich die Reue wie eine Flutwelle mit sich fortgerissen, und ich konnte das Bett tagelang nicht verlassen.
    Irgendwann konnte ich die Wochentage nicht mehr auseinanderhalten. Ein Tag glich dem anderen, welche Rolle spielte es da, ob Sonntag oder Freitag war? Dann entglitten mir die Monate. Ich knabberte an weichen Crackern und trockenem Müsli. Drei Tage, nachdem ich die letzte Dosensuppe aus der Vorratskammer gegessen hatte, fuhr ich zum Einkaufen nach St. John’s, ich wollte mich nicht über den Hügel zu Hayward’s quälen und den mitleidigen Blicken aussetzen. In einem riesigen Sobey’s-Supermarkt kaufte ich alles, was Joseph am liebsten gemocht und ich ihm zu Lebzeiten verboten hatte: Oreo-Doppelkekse, Schweinefleisch, Bohnen und tiefgefrorene Frühstückswürstchen. Das ist nicht gut für deine Gesundheit, habe ich ihn immer ermahnt, und nun war er trotzdem tot.
    Auf dem Heimweg kam ich an vier Autos vorbei, die am Straßenrand parkten. Es sah nach einem Unfall aus, darum hielt ich an. Bei der Vorstellung, zerbeultes Blech und zersplittertes Glas sehen zu müssen, wurden meine Hände feucht, doch es kam noch schlimmer. Es war kein Unfall. Es war Fred Bishop, wie er leibt und lebt. Und er verkaufte am Rand des Trans Canada Highway, aus seinem Wagen heraus, Rübenkraut, Kartoffeln, Karotten und anderes frisches Gemüse.
    Ich sah mir das Schauspiel an, während meine Hände vor Wut zitterten. Ich erbebte vor Zorn. Fred Bishop besaß die Frechheit, seinen Wagen keine drei Kilometer von dem Ort entfernt zu parken, an dem er meinen Mann getötet hatte, und betrieb dort auch noch Geschäfte! Meiner Ansicht nach gehörte er ins Gefängnis, weggesperrt, aber die Polizei hatte befunden, er sei nicht schuldig. Es sei ein Unfall gewesen, hatte es geheißen, aber für mich machte das keinen Unterschied.
    Joseph hätte mit mir geschimpft, weil ich Fred die Schuld gebe, aber Joseph hätte Fred alles vergeben, sogar den eigenen Tod. Sie waren beste Freunde gewesen, wie Brüder. Ihre Väter hatten auf demselben Fischerboot gearbeitet, ihre Mütter trafen sich täglich zu Tee und Sandwiches. Sie waren ein ungleiches Paar, Joseph schlank und muskulös, Fred mit schlechter Haltung und schon damals einem Ansatz von Bauchfett. Joseph trug eine goldene Haarkrone, Fred war kahl bis auf einen Kranz aus dunklem Haar, der seinen Hinterkopf umrahmte. Joseph hatte alles, was Fred nicht hatte, und doch gab es keine Eifersucht. »Er ist mein allerbester Kumpel«, sagte Joseph über Fred und Fred über Joseph. »Er hat ein Herz aus Gold, er würde dir das letzte Hemd geben, glaub mir. ’nen netteren Kerl findste nicht.«
    Anfangs wunderte ich mich selbst, wieso ich die Begeisterung meines Mannes nicht teilen konnte. Fred war nicht der typische Männerfreund. Er trank selten Bier, lockte Joseph nicht von mir weg, machte keine zotigen Bemerkungen über die weibliche Anatomie und kam fast niemals unangekündigt zu uns. Im Gegenteil, Fred entschuldigte sich für die Störung, war in meiner Gegenwart übertrieben höflich, fast schon förmlich. Eine Zeitlang dachte ich, er wäre eifersüchtig auf mich, weil ich Joseph so sehr in Beschlag nahm, aber wie sich herausstellen sollte, war ich die Eifersüchtige. Ich wurde es leid, ständig dieses Weißt du noch, damals … und hinterher das Gelächter und die Kommentare über die guten alten Zeiten zu hören, so als könnte die Gegenwart mit dem Leben, das Joseph vor unserer Ehe geführt hatte, nicht mithalten. Es passte mir nicht, dass Fred Joseph aus Kindertagen kannte und mehr gemeinsame Erinnerungen mit ihm besaß als ich, dass sie über so vieles lachen konnten und auf eine Weise verbunden waren, die mich ausschloss.
    Aber am meisten hasste ich die Tatsache, dass Fred der Letzte war, der Joseph lebend gesehen hatte. Fred, und nicht ich, war im Krankenwagen mitgefahren, hatte Josephs Hand gehalten und seine letzten Worte gehört. Als ich endlich im Krankenhaus eintraf, blieb für mich nur noch der Leichnam.
    Fred mit seinem Gemüsestand zu sehen, reizte mich bis aufs Blut. Am liebsten wäre ich zu ihm gelaufen, hätte auf ihn eingeprügelt und ihm an den Kopf geworfen, dass er meinen Mann getötet habe. Das hatte ich schon bei der

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