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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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gefasst. Prissy wird sich kaum für eine Gruppe begeistern, deren Hauptanliegen in dem besteht, was sie vermeidet. Über Howie zu sprechen. Auch Lottie redet nicht viel über Ches, und wenn, sind es abfällige Bemerkungen. Anscheinend will nur ich, die schon am längsten Witwe ist, über ihren toten Ehemann sprechen. Es enttäuscht mich sehr, dass die beiden bisher so zurückhaltend waren, denn ich hatte mir das Gegenteil erhofft. Verzweifelt klammere ich mich an die Vorstellung, dass Lottie und Prissy meine Rettung sind. Ich hänge über einem Abgrund, die Finger in einen Felsen gekrallt.
    »Ich kann nicht lange bleiben«, warnt Lottie gleich, als sie kurz nach Prissy eintritt.
    Ich fühle mich unter Druck gesetzt, und anstatt den Zweck unseres Beisammenseins vorsichtig zur Sprache zu bringen, lächle ich nervös und eröffne ihnen, was ich vorhabe. »Nun … ich habe euch beide heute Abend eingeladen, weil … nun, ich dachte, da wir drei im selben Boot sitzen, könnten wir vielleicht eine Selbsthilfegruppe für junge Witwen ins Leben rufen. Wir könnten uns alle paar Wochen treffen und … darüber reden, was wir durchmachen.« Ich streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr und ziehe sie gleich wieder ins Gesicht.
    Meine Ankündigung ruft nicht die erhoffte, sondern vielmehr die befürchtete Reaktion hervor: Niemand applaudiert, umarmt mich oder lächelt auch nur zustimmend. Lottie sieht so verwirrt aus, als hätte sie mich gar nicht verstanden. Dann schaue ich verstohlen zu Prissy. Sie ist bleich und entsetzt. Sie hat mich verstanden.
    »Bevor du Nein sagst«, dränge ich, weil Prissy schon mit zitternden Händen dasitzt und den Kopf schüttelt, »wir können das langsam angehen, du bestimmst das Tempo. Das Wichtigste ist doch erst einmal, unter Menschen zu sein, die wissen, was du empfindest und durchmachen musst.«
    »Du weißt nicht, was ich durchmache«, sagt Prissy trotzig und beißt auf der schon blutig gekratzten Nagelhaut herum.
    Mir liegt auf der Zunge zu sagen, dass ich sehr wohl weiß, was sie durchmacht, aber das stimmt ja nicht. Jeder trauert anders, und ich muss auch kein Kind alleine großziehen.
    Lottie hingegen lacht aus vollem Halse und schlägt vor, lieber eine Selbsthilfegruppe für Verheiratete als für Verwitwete zu gründen. »Mir ging es mit dem lebenden Ches viel schlechter als mit dem toten«, ergänzt sie mit Nachdruck, doch das glaube ich ihr nicht.
    Ich schaue in mein Heft, in das ich die fünf Phasen der Trauer geschrieben habe, die Tagesordnungspunkte für unser Treffen: Schock und Verleugnung, Wut, Einsamkeit, Verhandeln, Heilung .
    Ich weiß noch immer nicht, in welchem Stadium ich mich selbst befinde, denn an manchen Tagen erlebe ich schon morgens all das zugleich, und an anderen Tagen stehe ich einfach unter Schock.
    »Prissy, wie ging es dir an dem Tag, als du von Howies Diagnose erfahren hast?« Es ist Zeit, sie ein wenig anzuschubsen, denn auf keinen Fall soll sie meinem Muster folgen. Ich hatte mich kategorisch geweigert, über Joseph zu sprechen, und seit fünf Jahren nun steckt mein Leben in diesem unerträglichen Schmerz fest. »War es ein Schock? Hast du es in dem Moment glauben können? Kannst du es jetzt glauben?«
    Ich bin die Anwältin, sie die starrköpfige Zeugin, und sie wird während meines Kreuzverhörs zusammenbrechen. Und wenn sie erst einmal zugegeben hat, dass sie sich hilflos, wütend oder einsam fühlt, kann ich ihr helfen, den Heilungsprozess einzuleiten, obwohl ich nicht sicher bin, ob es dabei um sie, um mich oder uns beide geht.
    »Ich hab doch gesagt, ich will nicht darüber reden«, blafft Prissy.
    »Das musst du«, beharre ich. »Du musst das rauslassen. Es ist okay, aufgebracht und wütend zu sein, oder was immer du empfindest.«
    »Ich muss los.« Prissy steht auf, ich dränge sie zu bleiben, verspreche ihr, keine weiteren Fragen über Howie mehr zu stellen, bis sie schließlich nachgibt.
    »Aber dieser Selbsthilfegruppe trete ich nicht bei«, fügt sie mit unverrückbarer Entschlossenheit hinzu.
    »Denk wenigstens darüber nach. Ich will dir doch nur helfen.« Ich kann nicht verhehlen, dass ich betroffen bin, und Prissy sieht mich schuldbewusst an. »Ich hätte mir eine solche Gruppe nach Josephs Tod gewünscht. Leider gab es so etwas nicht.«
    Prissy fühlt sich immer noch sichtlich unwohl, doch dann erscheint ein Leuchten auf Lotties Gesicht.
    »Hat deine Gruppe einen Namen?«, fragt sie.
    »Einen Namen?«, wiederhole ich mechanisch. Darüber

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