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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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oder auch für Witwer sein? Und wenn jemand wieder heiratet? Bleibt man bis zum Tod dieses zweiten Mannes ausgeschlossen?«
    Ich bekomme Kopfschmerzen. »Ich wollte mich bloß mit euch treffen und darüber reden, was wir durchmachen«, sage ich. »Ich wollte daraus kein Großprojekt machen.«
    Lottie steht auf und zieht ihren Mantel an. »Georgia, Süße, ich halte das für eine fantastische Idee.« Das glaube ich ihr sofort. Ihre Augen funkeln, so aufgeregt habe ich sie selten gesehen. »Wie du schon gesagt hast, so etwas gab es bisher nicht. Und darüber könnte ich den ganzen Tag reden. Aber nicht über Ches, jedenfalls noch nicht.«
    Vielleicht überstürze ich es ja, vielleicht dränge ich mit meiner Einladung und meiner formellen Tagesordnung zu sehr. Womöglich werden sich die Themen von ganz alleine ergeben, wenn wir uns zwanglos treffen. Lottie entschuldigt sich bei mir, als glaubte sie, meine Gefühle verletzt zu haben, und wendet sich zum Gehen. Sie habe Marianne versprochen, um neun zu Hause zu sein.
    »Sie hat schon mal Angst, so ganz alleine zu Hause«, sagt Lottie, und ich nicke verständnisvoll.
    Als Lottie fort ist, schauen Prissy und ich uns verunsichert an. Sie wappnet sich wohl innerlich, um das Thema Howie abzuwehren, aber ich will es gar nicht ansprechen.
    »Ich wollte dir dafür danken, dass du Quentin neulich nachts heimgebracht hast«, sagt Prissy. »Vor lauter Erleichterung hatte ich noch gar keine Gelegenheit, dir richtig zu danken.« Sie lächelt scheu und trinkt einen Schluck Tee.
    Prissy hat, was ihren Sohn betrifft, noch viel vor sich. Er ist in einem sehr sensiblen Alter. Er steht auf der Schwelle zum Mann-Sein und hat das Vorbild verloren. Ich wünschte, Joseph wäre da, um dem Jungen zu helfen. »Wie geht es Quentin?«, frage ich. »Ich mache mir seinetwegen Sorgen«, ergänze ich, bevor Prissy antworten kann. »Er scheint das alles besonders heftig zu verleugnen. Er hat behauptet, sein Vater würde noch leben und in der Gegend herumvögeln. Ich meine, es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Kind …«
    Ich breche mitten im Satz ab. Prissy weicht das Blut aus dem Gesicht, sie birgt ihre schockierte Miene in zitternden Händen. Sie schüttelt den Kopf und murmelt vor sich hin, dass es ihr unendlich leid tue. Ich begreife erst nach einer Weile, was sie damit meint, und dann versetzt es mir einen Schlag in die Magengrube: Prissy möchte nicht über Howies Krankheit sprechen, weil es gar keine Krankheit gibt. Sie zuckt zusammen, wenn man sie fragt, wie sie mit dem Tod ihres Mannes zurechtkommt, weil es gar keinen Todesfall gibt. Ich bin verwirrt, wütend, ich falle aus allen Himmeln. Meine Finger lösen sich vom Felsen, und ich stürze von der Klippe, an die ich mich törichterweise so unerschütterlich geklammert habe. »Wie konntest du?«, frage ich atemlos.
    »Das war nicht meine Idee, das schwöre ich«, sagt Prissy entschuldigend. »Ich bin nach Hause gekommen, um Abstand zu gewinnen, und kaum sitze ich am Küchentisch, wedelt Mom mit der Todesanzeige vor mir herum. Sie hat geglaubt, das würde es mir leichter machen. Mir war in dem Moment völlig klar, dass das Quatsch ist, aber ich habe mich trotzdem darauf eingelassen. Und es war auch, ehrlich gesagt, leichter, so zu tun, als wäre Howie nicht mit einer anderen Frau zusammen.«
    Ich kann kaum klar denken. Ich sehe Prissy vor mir, wie sie während der falschen Gedenkfeier mit Tränen in den Augen vor dem Kruzifix sitzt. Wie sie in der ersten Reihe schluchzt und eine Schau abzieht, die ihresgleichen sucht.
    »Was hast du dir dabei gedacht, Prissy? Wenn du wüsstest, wie es ist, seinen Ehemann zu verlieren, würdest du nicht so tun! Und nicht auch noch andere zu Mitleid und Hilfe anstiften!« Diesmal zittern meine Hände, aber vor Wut.
    Prissy steht auf und zieht ihre Jacke an, doch ihre Hände gehorchen nicht, sie wollen den Reißverschluss nicht zuziehen. Schließlich gibt sie auf und sieht mir direkt in die Augen. »Ich habe meinen Mann verloren«, sagt sie ruhig, und in ihren Augen blitzt Wut. »Du kannst von Glück sagen, dass Joseph so früh gestorben ist. Denn damals war er noch die Liebe deines Lebens. Deine Ehe wird ewig bei dieser Idylle verharren, als ihr glücklich und verliebt wart. Du wirst immer die trauernde Witwe sein, die ihren Mann in der Blüte seiner Jahre verloren hat.«
    Niemand hat je gewagt, so mit mir zu sprechen. Ich kann Prissy nur fassungslos ansehen.
    »Wenn Howie vor ein paar Jahren gestorben wäre,

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