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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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ruiniert.«
    Gebannt lausche ich jedem einzelnen Wort. Ich kann nicht fassen, dass ich von diesem einschneidenden Ereignis nichts wusste! Howie hatte mir nur erzählt, er habe mit meinem Vater gesprochen und dessen Segen erhalten.
    Mom fährt fort. »Danach hat dein Vater Klartext geredet. ›Ich versteh ja, dass du in meine neunzehnjährige Tochter verknallt bist. Sie ist ja auch jung, schön und unschuldig.‹«
    Ich lege eine Hand auf den Mund. Was hätte Dad wohl gesagt, wenn er von meiner ersten Begegnung mit Howie gewusst hätte? Unschuldig war ich wirklich nicht.
    Womöglich hat meine Mutter denselben Gedanken, denn sie lächelt mich so seltsam an. »Dann hat dein Dad losgebrüllt. Howie sei ein Scheißperverser, der hinter jungen Mädchen her sei, woraufhin Howie deinen Vater einen verdammten Hurensohn genannt und ihm geschworen hat, dass er dich heiraten würde, ob es uns nun passt oder nicht.«
    Bei der Vorstellung, wie sich mein sturer Vater und mein wütender Mann, klatschnass, voller Schlamm und Fischschuppen, anschreien, muss ich laut lachen.
    »Plötzlich wurde Howie sehr emotional.« Mom legt mir eine knorrige Hand aufs Knie. »Er könne sich ein Leben ohne dich nicht vorstellen, er wolle noch in zehn, zwanzig, und so Gott will, fünfzig Jahren bei dir sein. Und was er am meisten an dir lieben würde, wäre, dass du ihm das Gefühl gibst, der stärkste und klügste Mann der Welt zu sein. Er fände es toll, dass du über seine Witze lachst, auch wenn sie nicht komisch wären, und dass du dir immer etwas einfallen lassen würdest, um ihn zu überraschen. Aber wirklich umgehauen hätte ihn, wie du ihn bei eurer ersten Begegnung angestrahlt hättest. So hätte ihn bis dahin niemand angesehen, und in dem Moment hätte er das Gefühl gehabt, alles sei möglich. Da hat sich dein Vater kopfschüttelnd geschlagen gegeben und nur noch gesagt: ›Wenn du ihr wehtust, bring ich dich um.‹ Und das hat er so gemeint. Ein Glück, dass dein Vater das nicht mehr erleben muss, sonst hätte ich mir die falsche Todesanzeige sparen können, wenn du verstehst.«
    Ich höre kaum richtig zu, sondern bin gedanklich in einer anderen Zeit, damals, als mir Howie den Hof gemacht hat, wie mein Vater das nannte. Ich hatte meinen zukünftigen Ehemann regelrecht vergöttert. Ständig hatte ich ihn mit Geschenken überrascht, manchmal waren es nur kleine Dinge, um ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern – eine Kaffeetasse mit der Aufschrift »Bester Angler der Welt«, weil Howie niemals etwas fing, ein Zeitungscartoon, weil Howie meinen Vater heimlich Hägar getauft hatte, oder ein Stein vom Strand, weil wir an einem unserer ersten Dates Steine über das Wasser hatten hüpfen lassen und Howie mir später gesagt hatte, das sei das schönste Date seines Lebens gewesen.
    Ich hatte mir tagsüber Gedanken gemacht, was ich ihm abends Interessantes beim Telefonieren erzählen könnte. Ich hatte sogar den Tonfall geübt, in dem ich die Höhepunkte meines Tages aufzählen wollte. Und wenn Howie zu Besuch kam, hatte ich am Fenster gewartet, und wenn sein Wagen die Auffahrt hochfuhr, war ich die Stufen hinunter in den Garten geeilt und hatte mich ihm in die Arme geworfen.
    Dann wandern meine Gedanken zu den letzten zehn, zwölf Jahren. Sie verschwimmen zu einem weißen Rauschen aus haushaltlichen Pflichten und ehelichem Nebeneinander. Wir besprechen nur noch das Nötigste. Wir sind einander fremd, unsere Unterhaltungen hangeln sich an verkümmerten Fragen und einsilbigen Antworten entlang. Unsere Ehe ging eindeutig dem Ende entgegen, wahrscheinlich seit vielen Jahren schon. Warum aber war mir das nicht bewusst?

Kapitel 14
    Georgia
    Ich habe Lottie und Prissy eingeladen, ihnen den Anlass dafür aber verschwiegen. Sie kämen sicher nicht, wenn sie wüssten, dass ich eine Selbsthilfegruppe für junge Witwen gründen will. In meiner Vorstellung sitzen Lottie, Prissy und ich beisammen und sprechen darüber, was es heißt, seinen Mann zu verlieren, beraten, was wir gegen die Einsamkeit tun können und wie sich Feiertage, Jahrestage oder ähnliche Hürden meistern lassen. Wir tauschen uns aus, lachen und weinen gemeinsam und gehen gestärkt aus dieser Erfahrung hervor. Doch als ich mir ins Bewusstsein rufe, dass weder Prissy noch Lottie bisher über ihre Situation reden wollten, dämpfe ich meine Erwartungen. Was ist der Sinn einer Selbsthilfegruppe, wenn sich niemand preisgeben mag?
    Ich mache mich also besser auf eine gewisse Beklommenheit

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