Die Witzekiste
haben, dass Koch den Figuren, von denen er erzählt, immer ähnlicher wird. Zum Beispiel den baltischen Baronen oder Typen des westfälischen Landadels. In Jagdkleidung und mit seinem inzwischen grau gewordenen Bart, den er letzthin auf einen anmutigen Schnäuzer verkleinert hat, kann man ihn leicht für ein Mitglied jener Schichten halten, deren Rolle er so gern spielt.
Koch ist wie seine Protagonisten leidenschaftlicher Jäger. Seit mehr als vierzig Jahren stellt er dem Wild nach »im Wege des Armenrechts«. Das heißt, er ist auf Einladungen angewiesen. Um die zu ergattern,muss man dem Jagdherrn nützlich sein, gut schießen können, Jagdhorn blasen oder eben Geschichten erzählen. Dann schlägt die Stunde der »Baltischen Barone«.
In einer linden Maiennacht guckt die Baronin von Korff oben aus ihrem Fenster und beobachtet unten in den Fliederbüschen recht merkwürdige Bewegungen. Als der Mond hinter einer Wolke hervorkommt und die Nacht erhellt, ruft sie herunter: »Marjell
chen, wirst dich mal richtig hinstellen oder soll sich der junge Baron das Kreuz verbiegen?«
»Die baltischen Barone waren durchaus bodenständig und hatten das Herz auf dem rechten Fleck«, erklärt Koch. »Und ein bisschen fühlten sie sich wie die Herren der Welt.« Das führte angeblich dazu, dass sie gelegentlich, wenn sie irgendwelche Fremden auf ihrem Land antrafen, erst gar keine Förmlichkeiten austauschten, sondern einfach zur Waffe griffen. Der unbekannte Eindringling wurde dann mit einem Armenbegräbnis verabschiedet. Solche Gepflogenheiten kamen in den letzten Jahren allerdings immer seltener vor. Dass immer wieder die Letten zur Zielscheibe gerieten, resultiert aus der lettischen Revolution 1905 / 06, bei der beide Seiten böse hingelangt hatten.
Im Jahr 1908, der Krieg liegt schon länger zurück, kehren allmählich wieder normale Sitten ein. Da trifft der Baron von Firks den Grafen Hahn im Bummelzug nach Riga. Auf dessen Knien liegt ein geladenes Jagdgewehr. Da spricht der Firks zu Hahn:
»Zu was bist’ bewaffnet ? Der Krieg gegen die Letten ist doch schon längst vorbei.«
»Ja« , sagt der Hahn, »ist so eine langweilige Fahrt. Weißt du, man könnte doch vielleicht auf einen lettischen Bahnwärter zu Schuss kommen.«
Zu dieser schlichten Einstellung passt auch die Erzählung von der Beerdigung des alten Korff.
Verwandtschaft und Bedienstete finden sich schwarz gekleidet zu einem großen Trauerzug ein. Da sehen die Leute, dass der junge Baron von Firks ein Jagdgewehr dabei hat. Sein alter Onkel geht auf ihn zu und bemerkt:
»Neffe , ist das nicht ein bisschen degoutant? Wir beerdigen den alten Onkel und du hast ein Jagdgewehr dabei.«
»Ja« , erklärt er, »ein Fuchs kann immer kommen.«
»Das ist ein berühmter Jägerspruch, den man auf einer Treibjagd zur Aufmunterung einwerfen kann«, fügt Koch hinzu. Mir fällt dazu der Satz eines trinkfreudigen baltischen Barons ein:
»Von allen leichten Landweinen ist mir der Cognac der liebste.«
»Ein bisschen menschenverachtend waren sie schon, diese Adeligen«, räumt Koch ein, »obwohl mir echte baltische Barone, ich bin mit einigen zur Schule gegangen, immer wieder gesagt haben: So lebensfeindlich, wie du uns darstellst, sind wir eigentlich nicht gewesen. Doch wenn man nachfragte, waren sie durchaus bereit zuzugeben, dass an mancher überspitzten Anekdote etwas dran war.«
Die langen Winter überbrückte man gerne durch die Jagd. Einmal im Jahr gab es die große Herbsttreibjagd. Bei dieser Gelegenheit konnte man die Schwester wieder einladen, die sich mit einem Kommerzienrat aus Berlin verheiratet hatte.
Es war eigentlich eine Mesallianz, aber zu diesem besonderen Tag war man verpflichtet, auch den Schwager einzuladen und mit zur Jagd zu nehmen. Am Abend eines solchen Tages fällt beim Korff auf dem Stand ein Schuss.
Der Firks geht rüber und fragt: »Na , was hast’ geschossen ? Hast noch ’ne Sau erwischt?«
»Ja« , sagt der Korff, »könnt auch ein Treiber gewesen sein.«
»Bist du verrückt, du weißt doch genau, was wir für Schwierigkeiten haben, wenn wir die Treiber nicht in Ruhe lassen. Lass uns nachschauen, wer es ist.«
Sie gehen hin, und da liegt wirklich ein Mann mit dem Gesicht im Schnee, mausetot . Sie drehen ihn um, und da sagt der Firks:
»Du Korff, das ist ja zum Glück gar kein Treiber, sondern dein Schwager, der Kommerzienrat aus Berlin. Herzliches Beileid.«
»Scheiß auf dein Beileid, aber was soll ich meiner Schwester
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