Die Witzekiste
sagen? Die ist sowieso so eigen.«
Aus Ostpreußen stammt dieser:
Fragt der Lehrer: Warum hast du gestern gefehlt?
Schüler: Unser Hof ist abgebrannt.
Der Lehrer: Und wo warst du vorgestern?
Schüler: Da mussten wir doch ausräumen.«
Das erinnert mich an eine andere Geschichte, die sich mit dem kruden Charakter der Menschen der früheren preußischen Provinz beschäftigt, deren Gebiet heute zu Polen und Russland gehört:
In ostpreußischen Familien gab es den Brauch der Totenwache.
Das bedeutete, dass der Tote im Wohnzimmer im Sarg aufgebahrt wurde und die Verwandten um den Sarg herumsaßen.
Als die Oma gestorben war, versammelten sich alle Familienmitglieder, wie es Brauch war, im Wohnzimmer um die Leiche.
Zunächst gedachten sie alle zehn Minuten der Verstorbenen. Dann kredenzte die Schwiegertochter eine Runde Branntwein. Bald darauf wurden Schnittchen gereicht. Danach gab es wieder etwas zu trinken. Später wurde ein Lied gesungen, das die Verstorbene gern gemocht hatte. Dann stimmten die Versammelten auch andere Lieder an. Und schließlich, nach einigen Runden Branntwein, begannen sie auch zu tanzen.
Am nächsten Tag nimmt sich der Pastor den Sohn der Verstorbenen vor. »Dass ein Gläschen getrunken wird bei der Totenwache, ist ja nicht so schlimm. Dass es ein paar Schnittchen gibt, lässt sich auch noch vertreten. Dass ein Lieblingslied der Oma am Sarg gesungen wird, ist an der Grenze. Was aber nicht geht, ist , dass um den Sarg herum getanzt wird.«
»Genau , das habe ich auch gesagt« , bestätigt der Sohn. »Aber dann haben wir es ausprobiert: Man muss den Sarg nur hochkant in die Ecke stellen!«
Dazu hat Koch eine baltische Version:
Es war im harten Winter des Jahres 40 / 41 : Die Großmutter war gerade gestorben und die Familie hatte eine merkwürdige Totenfeier zelebriert. Sie konnten sie nicht beerdigen, weil der Boden so hart gefroren war. Es war unmöglich, eine Grube auszuheben.
Und so einfach in die Luft sprengen, wie sie es mit dem Holzknecht, dem verunglückten, getan hatten, wollten sie die Oma auch nicht. Im Haus konnte man die alte Dame nicht behalten, sie wurde schon leicht anrüchig, wie die Jäger sagen.
Also hat der Korff sie auf den Schlitten gepackt und in den Winterwald rausgefahren. Drei Monate hat sie da gestanden im harten Winter, eh dann Ende März der Boden wieder ein bisschen weich wurde, so dass man ein Grab ausheben und die Oma mit allen Ehren beerdigen konnte.
Auch die Schwester aus Berlin war wieder dabei. Am Schluss der Zeremonie geht sie zum Korff und gesteht ihm: »Bruderherz , das war eine wunderschöne Beerdigung und es war sehr feierlich.
Bloß eins hat mich gestört, dass du die arme, alte Oma drei Monate alleine im Winterwald hast stehen lassen.«
»Nu« , sagt der, »nicht alleine. Bin noch oft draußen gewesen, hab’ noch über 40 Füchse an dem Luder geschossen.«
Die Jagd spielte für die Balten eine große Rolle.
Wieder hat sich eine große Gesellschaft zu einer Treibjagd zusammengefunden. Es gab ausreichend Rotwild auf der Strecke, die Jäger sind zufrieden. Unangenehmerweise sind bei der Jagd auch zwei Treiber ums Leben gekommen.
Selbstverständlich hat man die toten Treiber neben das erlegte Wild gelegt, das gehörte sich ja so. Aber als sie dann alle am flackernden Feuer standen, da sagt der Korff zum Firks: »Guck dir das an. De jagdlichen Sitten verrohen wirklich zusehends. Jetzt legen se de Treiber schon vor die Hirsche.«
Solch nüchterne Betrachtungen sind nicht für jeden leicht verdaulich. Machen diese Scherze den baltischen Baron zu einem Sonderling,zu einer Kunstfigur außerhalb der Gemeinschaft? Tünnes und Klein Erna sind ja durchaus miteinander verwandt, ihre Familienbande reichen auch in andere Regionen. Der baltische Baron hingegen ist eine historische Figur, verwandt mit dem Herrn von Zitzewitz, der auch nicht mehr über die Kasernenhöfe geistert. Es sind eigentlich schon Witze unserer Großväter.
»Ich habe einen Großvater gehabt«, erzählt Koch, der gehörte zu dieser Gründergeneration des Ruhrgebietes. Er besaß eine Zuliefererfirma und stellte Lampen her. Er war ein wohlhabender Mann und hatte zusammen mit einem Essener AE G-Direktor eine Jagd an der Ruhr, in Sprockhövel, gepachtet. Die beiden wurden dann von ostelbischen Baronen zu großen Treibjagden eingeladen. Eine Tagesstrecke von 800 Hasen war keine Seltenheit. Die baltischen Barone bildeten sich darauf viel ein und behaupteten: ›Nichts geht
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