Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Witzekiste

Die Witzekiste

Titel: Die Witzekiste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lentz
Vom Netzwerk:
schien 1950 schon nahe zu sein, als General Mac Arthur im Koreakrieg China angreifen wollte.
    Der politische Witz war die einzige Munition, mit der die Unzufriedenen in der DDR das Regime angreifen konnten.
    Gute politische Witze gab es darum fast nur in der DDR. Wer aus dem Westen kam und erzählen wollte, worüber in Köln oder Münchengelacht wurde, fand in Leipzig und anderswo kaum eine Resonanz. Witze ohne politischen Hintergrund wurden selten verstanden. Es war ja auch alles politisch, Privates ging darin auf, wurde mit verplant. Selbst der Film des »Weltfriedenspreisträgers« Chaplin, ›Der große Diktator‹, durfte in der DDR nicht aufgeführt werden. Die Machthaber fühlten sich getroffen.
    Obwohl die Kommunisten auch als Partei im Bundestag saßen, fand der Sozialismus kommunistischer Prägung in der Bundesrepublik kaum ein Echo. Der Schweizer Journalist Fritz René Alleman schrieb 1953: »Damals fielen zwei Ereignisse zusammen, die ihm jede Chance versperrten: die Berliner Blockade und die Währungsreform. Die Blockade war der erste groß angelegte Angriff des Ostens auf die westlichen Positionen in Deutschland, der im deutschen Volk das Bewusstsein der Schicksalsgemeinschaft mit den Westmächten wachrufen musste. Und die wirtschaftliche Konsolidierung durch die Währungsreform trug das ihre dazu bei, die Energien des deutschen Volkes endgültig von hochgespannten politischen Reformhoffnungen wie von geistigen Abenteuern jeder Art abzulenken und sie in die Aufgaben des ökonomischen Aufbaus hineinzuleiten.«
    Klaus Harpprecht urteilte zum Ende der fünfziger Jahre in ›Christ und Welt‹: »Deutschland darf auch einmal langweilig werden. Sein Maß an Aufregungen hat es in diesem Jahrhundert erfüllt.«
    Die DDR hatte Fünfjahrespläne für ihre Wirtschaft eingeführt, der erste lief von 1951 bis 1955. Im Mai 1958 wurden endlich die Lebensmittelkarten abgeschafft, die im Westen bereits seit 1950 nicht mehr existierten. Es folgte aber eine schwere Versorgungskrise im ganzen Ostblock.
    Ein Vers machte nach dem ersten »Sputnik« 1957 die Runde:

    »Keine Butter, keine Sahne, doch auf dem Mond die rote Fahne!«

    Die DD R-Bürger sagten:

    »Die russischen Weltraumpiloten sind wirklich Idioten. Sie fliegen um die Erde und landen ausgerechnet wieder in der Sowjetunion!«

    Mangelwitze erreichten in der DDR ein beachtliches Format.

    Zu einem Metzger kommt ein Mann und sagt: »Können Sie mir helfen? Meine Tochter heiratet in sechs Wochen, und da möchte ich den Gästen doch ein schönes Essen anbieten.«
    »Woran hatten Sie denn gedacht?«
    »An ein schönes Rinderfilet vielleicht.«
    Der Metzger bedauert: »Rinderfilet wäre natürlich eine delikate Sache, aber da ist auch mit sechs Wochen Vorlauf nicht dranzukommen. Das geht alles für internationale Besucher und für Exporte weg.«
    Der Mann überlegt: »Dann vielleicht ein Kalbsnierenbraten?«
    »Kalbsnierenbraten ist etwas Feines« , bestätigt der Metzger, »aber so was habe ich selber schon lange nicht mehr gesehen.« Der Mann denkt nach: »Wie wäre es denn mit Rouladen?«
    »Rouladen wären hervorragend« , antwortet der Metzger, »die könnte ich mir auch lecker vorstellen. Mit Gurkenstückchen, Zwiebeln und durchwachsenem Speck als Füllung. Aber die bekomme ich leider auch nicht, auf keinen Fall in den nächsten sechs Wochen!«
    Der Kunde sagt: »Und wie ist es mit Gulasch? Richtig saftiges, gut gewürztes Gulasch!«
    »Mit viel Sauce« , bestätigt der Metzger, »ich versteh schon, was Sie meinen. Aber Gulasch ist nicht zu haben.«
    »Oder einen Kalbsbraten?«
    Der Metzger schüttelt den Kopf: »Kälber werden gar nicht mehr geschlachtet. Die haben noch nicht genug Fleisch, das vergessen Sie mal.«
    Der Kunde hebt resignierend die Schultern und lässt sie wieder fallen. »Dann nehme ich eben einen einfachen Schweinebraten.«
    »Nicht einmal den kann ich Ihnen versprechen« , sagt der Metzger bedauernd, »da müssten wir schon sehr viel Glück haben.«
    Als der Mann den Laden traurig verlassen hat, sagt die Metzgersfrau: »Ist das nicht schlimm? Da will einer seiner Tochter so rührend eine schöne Hochzeit ausrichten, und wir können
ihm nicht dabei helfen. Findest du das nicht auch jammerschade?«
    »Ja , natürlich« , bestätigt der Metzger, »aber sag mal: Hast du das mitgekriegt? Ein Gedächtnis hat der Mann!«

    Ein Witz, der in allen Diktaturen erzählt wurde, hatte in der DDR folgenden Wortlaut:

    Einem Mann ist der Papagei entflogen.

Weitere Kostenlose Bücher