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Die Witzekiste

Die Witzekiste

Titel: Die Witzekiste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lentz
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die sachlichen Fremdwörter Präservativ oder Kondom umständlich mit Empfängnisverhütungsmittel übersetzt; die Schweizer gaben dem Artikel mit ihrer Neigung zu putzigen Wortschöpfungen den Namen »Verhüterli«.
    Das »Verhüterli« oder der »Überzieher« konnten nicht verhindern, dass die Zahl der Abtreibungen auf dieser Erde 1965 von der Weltgesundheits-Organisation mit rund 25 Millionen pro Jahr eingeschätzt wurde. Im selben Jahr starben in der Bundesrepublik 250 Frauen an illegalen Eingriffen.
    Damals warteten die Gummikringel in vierschrötigen Eisenkästen auf Kundschaft. Die Automatenaufsteller hatten sie im Untergrund der Kneipen oft sinnigerweise zwischen Damen- und Herren-Toilette aufgehängt, und auf den Werbebildchen der Packungen lächelten blonde oder dunkle Sirenen dem umworbenen Verbraucher augenzwinkernd zu. Es kam vor, dass Frauen wie Männer nachdenklich vor den Kästen standen und überlegten, ob ihnen der unscheinbare Gummi nicht einmal von Nutzen sein könnte. Nicht alle waren bereit, sich für ein paar Groschen rechtzeitig Sicherheit einzukaufen.
    Anfang der sechziger Jahre kursierte ein Witz in den Wirtshäusern und anderswo, der auch heute wieder erzählt wird. Mit dem einzigen Unterschied, dass aus der Bezeichnung »Gesundheitsläufer« der »Jogger« geworden ist.

    Ein junger Mann hat sich am hellen Nachmittag bei einer verheirateten Frau eingefunden. Sie kommen schnell zur Sache. Als sich das Liebesspiel der beiden dem Höhepunkt nähert, fährt draußen ein Auto vor. »Das ist mein Mann« , ruft die Frau in Panik, »schnell , hau ab, spring aus dem Küchenfenster!«
    Während die Ehebrecherin die Siebensachen ihres Geliebten in Windeseile unter ihrem Bett versteckt, flieht der nackt durchs Küchenfenster in den Garten. Bei strömendem Regen hastet er in ein nahe gelegenes Waldstück.
    Dort begegnet ihm ein Gesundheitsläufer, dessen Tempo sich der nackte Mann mühelos anpasst. Der Läufer betrachtet ihn von oben bis unten und fragt vorsichtig:
    »Sind Sie auch Gesundheitsläufer?«
    »Aber ja« , antwortet der Mann, »schon lange.«
    »Und laufen Sie jeden Tag?«
    »Ja , jeden Tag.«
    »Und wenn’s regnet , grundsätzlich nackt?«
    »Wie Sie sehen.«
    »Hm« , sagt der Gesundheitsläufer, »und immer mit ’nem Pariser an?«
    »Nein , nur wenn’s regnet.«

    Die Kneipen, Stampen, Wirtshäuser, Pinten gehörten zu den Brutstätten und Tauschzentralen des Witzes. Dort saßen die gestandenen Männer bis tief in die Nacht, soffen, knobelten, spielten Karten, und manchmal luden sie ihre pubertierenden Söhne ein, die mit den Pilzköpfen der Beatles oder der Haartracht Elvis Presleys nachempfundenen Frisuren den sanften Aufstand gegen die Väter probten. Die bleichen Jünglinge durften Sülzkoteletts und Soleier futtern; alle Getränke, die ihnen der »Herr Ober« brachte, wurden auch von den »Alten Herren« konsumiert: Cola mit Rum, Pils, Bier und dazu »Wodka mit Pflaume«, »Wodka mit Kirsche«, »Wodka mit Feige«. Der Fotograf Charles Wilp machte damals eine Werbung populär, auf der sich ein kraftvolles Mannsbild und ein Bär mit Wodka zuprosten. »Ist für harte Männer …«, stand unter den Werbefotos. Es wurde Zeit, dass auch aus den »Twens« harte Männer wurden.
    ›Twen‹ nannte sich eine Zeitschrift, die seit 1959 in der BundesrepublikDeutschland das neue Lebensgefühl der Jugend postulierte. Nach eigener Aussage lautete ihre Botschaft: »Zeitschrift für die Neugierigen. Wir zeigen, was morgen wichtig ist – zum Anziehen, zum Ausziehen, zum Essen, zum Fahren, zum Lieben, zum Miteinanderauskommen auf dieser herrlichen, schönen, aufregenden Welt.«
    Doch zurück zu den Vätern: Sie verdonnerten ihre Söhne zu einem Männlichkeitsritual, welches das Empfängnisverhütungsmittel zweckentfremdete. Die Alten zupften »Präser« aus ihren Hüllen und legten sie den Söhnen mit der Aufforderung in die Hände, die Teile aufzublasen und zu verknoten. Jubel brach aus, die Stammtischbrüder lachten sich scheckig, wenn die kleinen Ballons unter die Decke gestoßen wurden und nach kurzem Flug im Dunstkreis der Theke landeten. So schlug man den Nachwuchs zum Ritter der Tafelrunde.
    Was sagten die Frauen und Mütter zu solchen Scherzeinlagen? Sie erfuhren nichts davon, außerdem hatten sie in bestimmten sozialen Etagen der sechziger Jahre wenig zu sagen. In den Stammkneipen waren die Damen nur zu Gast, wenn die Ehemänner ihnen am Sonntagabend gönnerhaft einen »Hering

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