Die Witzekiste
Hausfrauenart« und ein Gläschen Mosel spendierten. Dann durften sie mit dem Herrn Gemahl auch schon mal eine Partie »Flipper« spielen oder für ein paar Groschen am Spielautomaten ihr Glück versuchen. Spuckte der »Rotamint« einen Gewinn aus, freute sich die Musikbox. Die Frauen drückten die Schlager der Saison: Lolitas ›Seemann, deine Heimat ist das Meer‹, Gittes ›Ich will’n Cowboy als Mann‹. Heintje sang glockenrein seinen Hit ›Mama‹ und Freddy Quinn verkündete den mit einer »Goldenen Schallplatte« gekrönten Mutterwunsch ›Junge, komm bald wieder‹.
Anfang 1960 lachten die Männer über Witze, deren Anti-Frauen-Haltung eindeutig war.
Kommt eine ältere Frau in die Kneipe: Buckel , Triefaugen , Halbglatze, schlampig angezogen. Auf ihrer rechten Schulter sitzt ein Papagei. Die Frau wendet sich an die versammelten Trunkenbolde: »Wenn mir jemand von euch sagen kann, was das für ein Vogel ist, kann er umsonst mit mir ins Bett gehen.« Die Männer schütteln sich beim Anblick der Frau. Einer sagt: »Das ist
ein Adler.« Ein zweiter: »Das ist ’n Rotkehlchen.« Ein dritter: »Ich glaube, es handelt sich um eine Schleiereule.«
Da hebt der Papagei den Kopf und sagt: »Ich denke, das können wir durchgehen lassen …«
Ein Autofahrer sieht abends auf einer dunklen Landstraße einen Schatten vor seinem Wagen. Er bremst wild, steigt aus und steht einem Männlein gegenüber, das ihn erschrocken ansieht.
»Sie haben mein Leben gerettet« , sagt der Kleine, »jetzt haben Sie einen Wunsch frei.«
Der Autofahrer überlegt.
»Ich wünsche mir« , sagt er schließlich, »dass in Burundi der Bürgerkrieg aufhört.«
»Burundi ? Wo liegt denn das?«
»Irgendwo in Afrika. So genau weiß ich das auch nicht.«
Der kleine Mann wiegt den Kopf.
»Das ist natürlich schwierig für mich. Haben Sie nicht noch einen anderen Wunsch?«
»Dann möchte ich, dass meine Frau schön und knackig aussieht wie vor zwanzig Jahren.«
»Wo ist denn Ihre Frau?«
»Die ist zu Hause.«
»Ist das weit?«
»Nein , nur 4 km.«
Der kleine Mann steigt ins Auto und fährt mit. Die Frau des Fahrers steht schon in der erleuchteten Haustür und wartet. Das Männlein betrachtet sie lange. Dann tippt es dem Fahrer auf die Schulter und fragt:
»Sagen Sie, haben Sie nicht doch irgendwo einen Atlas, in dem wir nachschauen können, wo Burundi liegt?«
Als Witze von solcher Niedertracht durch die Lande wanderten, plädierte ein Gottesmann im Fernsehen für die Liebe. Pfarrer Theodor Schulz aus Kirchweiler sprach am Karnevalssamstag 1960 in der Sendung ›Wort zum Sonntag‹ von der Heiligkeit der Ehe und der Sünde des Seitensprungs. Er forderte die Ehepaare zur Bewahrung der Zärtlichkeit und zu gegenseitigem Respekt auf und ließ vomTonband ein taufrisches Lied abspielen, dessen Text ein einziger Appell an die Treue war. Schon am Rosenmontag verkaufte sich der Schlager, der später zum »Evergreen« und »Ohrwurm« der Hitparaden wurde, 40 000 mal. Der von Heidi Brühl gesungene Treueschwur hieß: »Wir wollen niemals auseinandergehn«, und der böse Volksmund nannte ihn schonungslos »Das Nonnenbeinlied«.
Andere Einkaufsschlager, welche die Phantasie der Witzemacher damals beflügelten, waren die Pille (»Was ist der sicherste Weg, mit der Pille Erfolg zu haben? Einfach zwischen die Knie klemmen und fest zusammendrücken«), der Minirock und – als revolutionäre Neuerung in der Sperrzone weiblicher Leibwäsche – die Strumpfhose.
Aber auch über die konventionellen Kleidungsstücke des Alltags machte sich der Scherzbold Gedanken: über Anzug, Mantel, Schuhe und die dazu gehörenden Leute. Ein Witz mit politischem Touch kam von weit her; möglicherweise machte er den langen Weg von der Sowjetunion über die DDR nach Westdeutschland.
Nach der Erschießung von Regimefeinden ordnen russische Machthaber an, dass der männliche Nachwuchs seiner Gegner – egal wie alt – nach Sibirien verbannt wird. Es kommt der Tag, an dem ein russisches Mütterchen ihren fünf Jahre alten Sohn Pjotr zum Moskauer Bahnhof bringt. Sie hat ihm dicke Wollstrümpfe und ein wärmendes Mäntelchen angezogen, denn die Mutter weiß: In Sibirien ist es kalt.
Tränenreicher Abschied. Dann verfrachten Soldaten den Jungen zusammen mit anderen Kindern in Güterwagen. Der Zug fährt ab. 60 Jahre später wird der Sohn zusammen mit 1 000 anderen Häftlingen begnadigt. Das Mütterchen, nun über 90 Jahre alt, schlurft zum Bahnhof. Als der Transport
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