Die Wölfe vom Rock Creek - Alaska Wilderness ; 2
mit Tränen in den Augen gestand, und kannte sich aus. Er trug sich als »Harold Dunn« ein. »Aber sagen Sie Harry zu mir, junge Dame.« Julie betrachtete den älteren Herrn nachdenklich. Sein Gesicht war grau und er hatte dunkle Schatten unter den Augen. Seine Schultern hingen schlaff herab und er hielt den Kopf meist gesenkt, auch wenn er versuchte ihr freundlich zuzulächeln.
Als er ging, trat Julie ans Fenster und sah zu, wie der alte Harry in sein Wohnmobil stieg und auf die Park Road fuhr. Anscheinend hatte er seine Ehefrau verloren und wollte in der Einsamkeit des verschneiten Nationalparks zur Ruhe kommen. Sie beschloss, ab und zu nach ihm zu sehen.
»Guten Morgen, Julie. Schon fleißig?«
Sie drehte sich um und sah sich einem gut gelaunten Dr.John Blake gegenüber. Er sah auch am frühen Morgen blendend aus und ließ sie den Vorsatz, sich während der Arbeit keinen Beziehungsstress aufzuladen, sofort vergessen. »John … was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie sind in der Uni.«
»Diese Woche bleibe ich hier«, erwiderte er. Er blickte in den Gang, der zur Bibliothek führte. »Ich arbeite an einer Verbesserung des Monitoring Programs und will diese Woche noch zwei Mal mit Kenny raus. Sie haben wohl keine Lust?«
Julie wandte sich vom Fenster ab und lächelte. »Lust schon, aber als Küken der Mannschaft kommt man nur ein Mal in den Genuss dieses Vergnügens.« Ihre Miene wurde ernst. »Sie haben von dem toten Wolf gehört?«
»Sicher … und ich hab die starke Vermutung, diese Baldwins haben ihn innerhalb der Parkgrenzen erschossen und dann nach draußen geschafft. Ich war gestern Nacht noch mal dort und habe die Wolfsspuren bis in den Park verfolgt.« Er zog seine Wollmütze und die Handschuhe aus. »Natürlich können wir diesen Mistkerlen nichts beweisen. Sie werden sagen, sie wären dem Wolf erst außerhalb der Parkgrenzen begegnet, und niemand kann ihnen was anhaben. Es wird höchste Zeit, dass der Staat die Wölfe wieder zur bedrohten Tierart ernennt und ihre Tötung generell verbietet.« Seine gute Laune war wie weggeflogen. »Aber darauf können wir wohl lange warten.«
»Findet am nächsten Samstag nicht eine Veranstaltung in der Uni statt?«
John nickte. »›Save the Wolves – Rettet eine bedrohte Tierart‹. Wir zeigen Filme und veranstalten Seminare, und am Samstagabend soll es eine Großveranstaltung geben, die endlich die Politiker aufrütteln soll. Wir erwarten Tierschützer aus allen Teilen der USA und aus Kanada und rechnen natürlich auch mit Protesten. Hardliner wie die Baldwins werden die Veranstaltung für ihre eigenen Proteste nutzen und vielleicht sogar für Randale sorgen. Ehrlich gesagt, bereue ich es fast schon, diese Veranstaltung ins Leben gerufen zu haben. Einige Gruppen sind einfach zu radikal … auf beiden Seiten übrigens.«
»Die Polizei wird für Ordnung sorgen.«
»Ja … traurig, nicht wahr.«
Julie wollte an ihren Platz zurückkehren und wurde von ihm mit einer sanften Handbewegung aufgehalten. Er berührte ihren linken Oberarm und ließ ihn gleich wieder los. »Julie«, begann er etwas ungelenk, »ich wollte mich Ihnen gestern nicht aufdrängen. Ich würde mich natürlich freuen, wenn wir unser Sushidate irgendwann wiederholen könnten, aber ich weiß natürlich auch, dass Sie sich vor allem auf Ihre Arbeit konzentrieren müssen. Sie sind eine hervorragende Rangerin, Julie.«
»Vielen Dank«, sagte sie, wohl wissend, dass er ihr nur schmeicheln wollte. »Und für ein Sushidate sollte man eigentlich immer einen Tag finden.«
Sie begleitete die Antwort, die sie eigentlich gar nicht auf der Zunge gehabt hatte, mit einem verlegenen Lächeln und hatte nichts dagegen, dass er wieder ihren Oberarm berührte, zuckte aber erschrocken zurück, als die Tür aufging, und ausgerechnet Josh das Besucherzentrum betrat. »Josh … du?«
Josh blieb wie angewurzelt stehen und starrte sie ungläubig an. »So ist das also«, sagte er, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Dann bin ich ja wohl überflüssig hier. Tut mir leid, dass ich gestört habe, die Herrschaften.«
»Josh … es ist nicht so, wie du denkst!« Ausgerechnet der Satz, den sie am meisten in Liebesfilmen verabscheute, kam ihr automatisch über die Lippen. »Josh! Warte doch!« Sie lief ihm nach, blieb in der offenen Tür stehen und sah gerade noch, wie er in seinen Pick-up stieg und in einer Schneewolke davonbrauste.
Sie unterdrückte nur mühsam ihre Tränen.
»Tut mir leid«, sagte John
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