Die Wölfe vom Rock Creek - Alaska Wilderness ; 2
dass die Wolfskiller nicht in der Nähe waren. Sie hatte ihr Handy griffbereit in der Tasche, um sofort reagieren zu können, falls die beiden in dem Tal auftauchten. Nichts geschah. Die Baldwins ahnten wohl, dass man in diesen Tagen ein besonderes Auge auf sie geworfen hatte, und blieben lieber zu Hause. Und die Wölfe suchten vielleicht unbewusst die Nähe der Ranger, um es den Wolfskillern besonders schwer zu machen, falls sie sich doch in den Park wagten.
Banu litt große Schmerzen, das sah man selbst aus der Ferne. Im blassen Mondlicht konnte sie nicht erkennen, wie schwer die Wunde tatsächlich war, aber er tat sich besonders im Tiefschnee schwer und hatte große Mühe, sein Rudel zusammenzuhalten. Nur widerwillig folgten sie ihm in den nahen Wald. Sogar der junge Wolf begehrte auf und lief erst mal zurück, wahrscheinlich um nach seinem toten Freund zu suchen. Erst nach einer ganzen Weile kam er wieder und folgte den anderen Wölfen in den Wald.
Julie drehte um und kehrte nachdenklich zur Park Road zurück. Über ihnen flackerte Nordlicht auf, zog in allen Farben des Regenbogens über den Himmel und ließ das Fell ihrer Huskys glitzern. Die Wildnis konnte wunderschön und verführerisch sein, aber auch grausam und unbarmherzig. So war der Lauf der Natur, die keine Rücksicht auf Schwache und Kranke nahm, das Gesetz der Wildnis, wie manche Leute es nannten. Doch wenn Verbrecher wie die Baldwins glaubten, der Natur ins Handwerk pfuschen zu müssen, wurde ihr Gleichgewicht auf empfindliche Weise gestört und nichts war mehr so, wie es sein sollte. Dann war selbst ein Anführer wie Banu, einer der stärksten und stolzesten Wölfe, die Julie jemals gesehen hatte, dem Untergang geweiht.
Eine düstere Stimmung schien über den dunklen Wäldern zu liegen und Julie trieb ihre Huskys über die geräumte Park Road zum Savage River. Nach ihrer Begegnung mit den Wölfen am Rock Creek war sie müde und niedergeschlagen. Sie wollte nach dem alten Mann, der mit seinem Wohnmobil auf den Campground gefahren war, sehen und erwartete fast, am Savage River eine weitere Enttäuschung zu erleben.
Ihre düstere Vorahnung fand sie bestätigt, als sie den Campground erreichte und das Wohnmobil des alten Mannes verlassen vorfand. Sie klopfte mehrmals, öffnete die Tür und leuchtete mit ihrer Taschenlampe hinein. Harry Dunn war nicht zu Hause. Weder sein Bett war bezogen, noch standen Essensreste oder wenigstens eine angebrochene Flasche herum, die ihr gezeigt hätten, dass er vor Kurzem noch hier gewesen war. Die Heizung war ausgeschaltet. Eisige Kälte erfüllte das Wohnmobil. Alles sprach dafür, dass er sein Zuhause verlassen hatte, gleich nachdem er auf den Campground gefahren war.
Sie wandte sich ab und rief laut seinen Namen. »Harry! Harry Dunn! Wo sind Sie? Kommen Sie zurück!«
Eine furchtbare Vermutung durchzuckte Julie wie ein heißer Blitz: Was, wenn der alte Mann sich etwas antun wollte? Wenn er sich ohne seine Frau so verlassen fühlte, dass er keinen anderen Ausweg sah? Seine Miene war so traurig und trostlos gewesen, als sie mit ihm gesprochen hatte.
Julie verlor keine Zeit. Sie richtete ihre Taschenlampe nach unten und ließ den Lichtkegel über den Schnee wandern. Es hatte während der letzten Stunden nicht geschneit und seine Spuren waren einigermaßen deutlich zu erkennen. Sie steckte die Taschenlampe weg, schaltete ihre Stirnlampe ein und stieg auf den Schlitten.
»Heya! Heya! Vorwärts! Wir haben es eilig, Chuck!«
Sie folgte den Spuren des alten Mannes über den Campground, vorbei an den mit einer dicken Schneeschicht bedeckten Holztischen und Grillstellen auf den verschneiten Trail, der am Savage River entlang bis in die Ausläufer des Fang Mountain führte. Im Licht ihrer Stirnlampe waren die Spuren des Mannes deutlich zu sehen. Alle paar Schritte hielt sie an und rief seinen Namen, ohne ernsthaft darauf zu hoffen, dass eine Antwort aus der Dunkelheit kam. Wenn er das Wohnmobil sofort nach seiner Ankunft verlassen hatte, war er schon über zwölf Stunden in der Kälte unterwegs, zu viel für einen Mann seines Alters, der vielleicht nicht einmal warm genug angezogen war.
Ungefähr drei Meilen vom Campground entfernt sah sie ihn im Schnee liegen, eine bedauernswerte Gestalt, die am Rande des Trails in den Tiefschnee gesunken war. Er trug einen Anorak, wollene Hosen und feste Schuhe, aber seine Jacke stand offen und seine Handschuhe fehlten ganz. Sie legte rasch zwei Finger an seine Halsschlagader und
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