Die Wölfe vom Rock Creek - Alaska Wilderness ; 2
John, sondern ein anderer Ranger, der sich auf einen Vortrag vorbereitete und einige Bücher in der Bibliothek studierte, hatte aufgeschlossen. Sie begrüßte ihn und sie wechselten ein paar belanglose Worte. Julie verkniff es sich, nach John zu fragen, und stürzte sich in die Arbeit, registrierte die Waren im Shop so angestrengt, dass sie noch vor der Mittagspause mit der Inventur fertig war und sich an die Ausarbeitung des geplanten Artikels machen konnte. »Wölfe sind keine blutgierigen Bestien.« Mit diesem Satz würde sie beginnen, um gleich die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen.
»Hallo, Julie.« John war unbemerkt zur Tür hereingekommen und zog den Reißverschluss seines Anoraks nach unten. »Schon so fleißig heute Morgen?«
»Einer muss es ja machen.« Auch so ein belangloser Satz.
Er schien zu überlegen, ob er ihre peinliche Szene mit Josh erwähnen sollte, ging aber nicht darauf ein und sagte: »Ich habe gute Nachrichten. Wir haben Banu ausfindig gemacht und der Tierarzt hat seine Wunde verarztet. Sie war tatsächlich tiefer, als es auf den ersten Blick schien. Er hat ihm ein Schmerzmittel gegeben und seinen verletzten Vorderlauf fest verbunden.«
Ihre Miene hellte sich auf. »Das ist tatsächlich eine gute Nachricht.«
»Nicht ganz«, erwiderte John. Er hängte seinen Anorak und die Mütze an die Garderobe und lehnte sich auf den Tresen. »Die Kugel hat einige Sehnen verletzt, und Banu wird wohl sein Leben lang humpeln. Seine Vormachtstellung im Rudel hat er dadurch wohl verloren.« Die Erkenntnis schien ihn zu ärgern. »Sie wissen, dass ein Rudel von zwei Alphatieren angeführt wird?«
»Ja. Ich schreibe gerade einen Artikel über Wölfe und habe mich deswegen in das Thema eingelesen. Es sind immer ein Männchen und ein Weibchen, oder?«
»Genau. Ein starkes Alphamännchen und ein Alphaweibchen. Falls das Alphamännchen verletzt ist oder seinen Rang nicht mehr verteidigen kann, übernimmt ein Betawolf das Kommando. So ergeht es Banu gerade. Die anderen Wölfe erkennen, dass er bei der Jagd stark behindert ist und zu schwach erscheint, um das Rudel zu führen, deshalb reichen sie ihn nach hinten weiter.«
»Das hatte ich schon befürchtet«, sagte sie. »Wenn er weiter so stark humpelt, rutscht er an die Stelle des toten Jungwolfes zurück und muss als Omegawolf die Schläge einstecken.« Der Omegawolf nahm die niedrigste Stellung im Rudel ein und diente den anderen als Blitzableiter. Wenn eines der Tiere frustriert war, lud es seinen Ärger bei ihm ab. »Das hätte er nicht verdient. Ich habe selten ein so starkes und schönes Tier wie ihn gesehen.«
»Das finde ich auch.« John ging zum Kaffeeautomat und holte sich einen Becher. »Den alten Barney hat unser Tierarzt ebenfalls untersucht. Er hatte ein Geschwür im Bauch und hätte höchstens noch ein paar Wochen gelebt. Im Grunde hat ihm der Schütze einen Gefallen getan.« Er nippte an dem heißen Kaffee. »Sie haben gestern ganze Arbeit geleistet, Julie. Schade, dass sie den Schützen nicht erkannt haben. Ich hätte ihn zu gerne hinter Gittern gesehen.«
»Wir erwischen ihn. Irgendwann erwischen wir ihn. Ihn und alle anderen, die auf dem Gebiet des Nationalparks wildern und sinnlos Wölfe abknallen.«
»Schön wär’s … wollen Sie mit mir zu Mittag essen, Julie?«
Julie hatte schon ein »Natürlich … warum nicht?« auf den Lippen, besann sich aber anders. Nach dem peinlichen Zwischenfall hätte sie es unpassend gefunden, mit ihm die Mittagspause zu verbringen. So ein halbes Date würde nur dazu führen, dass die anderen Ranger über sie redeten, und Julie wollte nicht, dass Superintendent Green solches Geschwätz zu Ohren kam. »Heute geht es leider nicht«, redete sie sich heraus, »ich muss nach Healy, mir Tabletten holen.«
Er erschrak. »Sind Sie krank?«
»Ich hab Probleme mit dem Magen.«
Das war glatt gelogen, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Sie würde sich stattdessen eine Packung Aspirin im Drugstore holen, die konnte man immer gebrauchen. Und anschließend würde sie sich einen Cheeseburger gönnen, mit doppelt Käse und viel Ketchup. Ihr Hunger war zurückgekehrt.
»Ich könnte Sie doch hinfahren.«
»Heute nicht, John. Ein anderes Mal vielleicht.«
Julie war froh, als sie in ihrem Pick-up saß und über die Park Road zum Highway fuhr. Bis nach Healy waren es nur ein paar Meilen. Sie hatte Carol versprochen, ihr Zahnpasta und ein paar andere Kleinigkeiten aus dem Drugstore mitzubringen, und wollte auch
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