Die Wölfe vom Rock Creek - Alaska Wilderness ; 2
in ihrem Vorratsbeutel. Mit gemischten Gefühlen fuhr sie weiter. Sie blieb zunächst auf den Hügelkämmen, die kaum etwas von der Lawine abbekommen hatten, um besseren Halt zu haben. Dann schnallte sie die Schneeschuhe an, bevor sie sich mit den Hunden durch den Tiefschnee kämpfte, der sie zu weiteren Hügelkämmen jenseits der teilweise eingebrochenen Schneewand führte. Dort stieß sie auf einen verschneiten Wanderweg in den Ausläufern des Fang Mountain.
Die Ranger benutzten den Trail auf ihren Patrouillenfahrten nur selten, deshalb waren die Spuren des Snowmobils selbst in dem düsteren Tageslicht leicht zu erkennen. Sie scheute sich noch immer, ihre Stirnlampe einzuschalten, hatte Angst, dass sich der Junge in seiner Panik irgendwo versteckte und auf alles schoss, was sich bewegte. »Nicht so schnell!«, bremste sie ihre Hunde. »Ohne Carol können wir sowieso nichts unternehmen. Weit kommt Randy nicht. Der Trail führt in die Berge, da bleibt er mit seiner Maschine stecken.«
Das Land wurde immer unwegsamer. Wie riesige Kathedralen ragten die Felsmassive aus dem zerfurchten Gelände, umweht von düsteren Nebelschwaden, die ihnen ein geheimnisvolles, teilweise unheimliches Aussehen gaben. Der Trail wand sich durch ein schmales Tal, zog sich durch einen lichten Mischwald und führte über einen steilen Hang auf ein weites Plateau hinauf. Wirbelnde Flocken begleiteten sie auf ihrer einsamen Fahrt, noch nicht stark genug, um die Hubschrauber auf dem Boden zu halten, aber gefährlich für einen Jungen, der sich im Park nicht auskannte und von Panik getrieben wurde.
Am Waldrand hielt sie ihren Schlitten an und lauschte. Der Motor des Snowmobils war nicht zu hören. Hatte er bereits einen so großen Vorsprung herausgefahren, dass er außer Hörweite war? Eigentlich kaum möglich, dachte sie beim Anblick des schmalen Trails, der in zahlreichen Serpentinen über den Hang auf das Plateau führte. Sein Vorsprung war nicht so groß, dass er schon auf der anderen Seite sein könnte. Aber einen anderen Weg gab es nicht aus diesem Tal. Julie war erst ein Mal auf diesem Trail unterwegs gewesen, wusste aber, dass nur dieser Weg über das Plateau und auf der anderen Seite in ein weiteres Tal hinabführte, in das wegen des zerfurchten Bodens kein Ranger gerne fuhr. Selbst bei einer dichten Schneedecke lief man Gefahr, sich zu verletzen, zu rau und uneben war der Boden unterhalb des gewaltigen Plateaus.
Sie zog ihr Funkgerät heraus und rief Carol. Statt einer Antwort drang ein unregelmäßiges Knistern aus dem Lautsprecher. Die Verbindung in diesem Teil des Nationalparks war sehr schlecht. Sie fuhr ein paar Schritte und versuchte es noch einmal. Diesmal kam eine Antwort: »Julie … bist du das?«
»Hier Julie«, bestätigte sie. »Ich bin in dem schmalen Tal vor dem Felsmassiv. Kein Motorengeräusch. Ich mache mir langsam Sorgen um den Jungen.« Im Lautsprecher knisterte es erneut und es dauerte eine Weile, bis die Verbindung wieder stimmte. »Wie geht es Mike? Alles okay mit ihm?«
»Alles okay«, bestätigte Carol. »Er ist schon ins Krankenhaus unterwegs.« Wie zur Bestätigung erklang plötzlich ein lautes Dröhnen und der Hubschrauber flog mit gesenktem Bug über sie hinweg. Schon nach wenigen Augenblicken war er nur noch als heller Punkt in der Ferne zu erkennen und das Motorengeräusch war nicht mehr zu hören. »Bleib, wo du bist, Julie! Ich bin in einer halben Stunde bei dir.«
»Aye, Carol«
Julie steckte das Funkgerät weg und fuhr zum Waldrand zurück. Einige Zeit hörte sie nur dem Wind und dem Rauschen der Bäume zu, doch die Unruhe, die sie beim Anblick des gewundenen Pfades ergriffen hatte, ließ sie nicht mehr los. Selbst wenn sie für die Bergung des verletzten Mike eine Stunde gebraucht hatten, konnte Randy noch nicht auf dem Plateau sein. Zu beschwerlich war der lange Anstieg über den steilen und kurvenreichen Trail.
Nervös griff sie nach ihrem Feldstecher und suchte den Hang nach irgendeinem Hinweis ab, der ihr etwas über den Verbleib des Jungen verraten könnte. Sie folgte seinen Spuren mit dem Feldstecher, bis sie vor ihren Augen verschwammen. Dann blickte sie weiter den Pfad hinauf, um festzustellen, ob der Motor des Snowmobils abgestorben war und Randy irgendwo im Schnee feststeckte. Doch der Pfad lag verlassen unter dem verhangenen Himmel. War er doch schon auf der anderen Seite? War er ein so guter Fahrer, dass er die Steigung erklommen hatte? Oder hatte er den Motor abgeschaltet und
Weitere Kostenlose Bücher