Die Wohlgesinnten
war und beim BdS geblieben ist, und habe ihn gefragt, ob er mir so was anfertigen lassen könnte. Er hat geantwortet, dass man sich in der Ukraine noch nicht mal mehr ein Paar Stiefel besohlen lassen könne, seit wir die Juden alle eliminiert hätten.«) Eichmann beobachtete mich stirnrunzelnd. »Die Juden, mit denen Sie befasst sind, sind heute eines der wichtigsten Reservoirs, aus dem der Arbeitseinsatz seinen Personalbestand auffüllen kann«, erläuterte ich. »Abgesehen von ihnen, gibt es eigentlich nur noch die Fremdarbeiter, die wegen geringfügiger Vergehen verurteilt worden sind, und die Politischen, die aus von uns kontrollierten Ländern überstellt wurden. Alle anderen möglichen Quellen, die Kriegsgefangenen oder die vom Justizministerium bereitgestellten Straftäter, sind praktisch ausgetrocknet. Daher würde ich von Ihnen gerne einen Gesamteindruck von den Abläufen in Ihrem Zuständigkeitsbereichbekommen und Ihre Einschätzung der künftigen Entwicklung hören.« Während er mir zuhörte, entstellte ein merkwürdiges Zucken seinen linken Mundwinkel; es sah aus, als kaute er auf seiner Zunge. Er lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück, seine langen geäderten Hände mit durchgedrückten Zeigefingern zum Dreieck geformt: »Gut, gut, ich will es Ihnen erklären. Wie Sie wissen, gibt es in jedem Land, das von der Endlösung betroffen ist, einen Repräsentanten meines Referats, der entweder dem BdS, falls es sich um ein besetztes Land handelt, oder dem Polizeiattaché, falls es ein verbündetes Land ist, unterstellt ist. Ich möchte Sie allerdings gleich darauf hinweisen, dass die UdSSR nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt; was meinen Repräsentanten im Generalgouvernement angeht, so spielt er dort eine absolut untergeordnete Rolle.« – »Wie kommt das?« – »Für die Judenfrage im GG ist der SSPF von Lublin, Gruppenführer Globocnik, verantwortlich, der dem Reichsführer direkt unterstellt ist. Die Geheime Staatspolizei ist also nicht in ihrer Gesamtheit zuständig.« Wieder kniff er die Lippen zusammen: »Von einigen Ausnahmen abgesehen, die noch zu erledigen sind, kann das Reich selbst als judenfrei gelten. Was die anderen Länder angeht, hängt alles von dem Maß an Verständnis für die Lösung der Judenfrage ab, das von den nationalen Behörden bewiesen wird. Infolgedessen stellt jedes Land in gewisser Weise einen Sonderfall dar, was ich Ihnen erklären möchte.« Sobald er von seiner Arbeit zu berichten begann, fiel mir seine besonders verschachtelte bürokratische Syntax auf, die es erschwerte, seine ohnehin schon merkwürdige Mischung aus österreichischem Akzent und Berliner Dialekt zu verstehen. Er sprach ruhig und klar, wählte seine Worte mit Bedacht, trotzdem hatte ich gelegentlich Schwierigkeiten, seinen Sätzen zu folgen. Er selbst schien sich manchmal in ihnen zu verlieren. »Nehmen Sie das Beispiel Frankreichs, wo wir im letzten Sommer, wenn man so sagendarf, haben anfangen können zu arbeiten, sobald sich die französischen Behörden, unter dem Einfluss unseres Fachmanns sowie der Ratschläge und Wünsche des Auswärtigen Amts, äh, sozusagen, zur Zusammenarbeit bereit erklärten und vor allem als die Reichsbahn einverstanden war, uns die erforderlichen Transportmittel zur Verfügung zu stellen. So haben wir beginnen können, und anfangs war das sogar ein Erfolg, denn die Franzosen zeigten viel Verständnis, und dann dank der Unterstützung der französischen Polizei, ohne die wir natürlich nichts hätten tun können, weil wir gar nicht die Mittel haben, und der Militärbefehlshaber würde sie uns gewiss nicht zur Verfügung stellen, daher war die Hilfe der französischen Polizei ein unverzichtbarer Bestandteil, denn sie nahm die Juden fest und überstellte sie uns, und im Übrigen bewiesen sie sogar einen gewissen Übereifer, denn wir hatten offiziell nur die Juden über sechzehn Jahren angefordert – nur für den Anfang, selbstverständlich –, aber sie wollten nicht die elternlosen Kinder hüten, was man verstehen kann, und deshalb haben sie uns alle übergeben, selbst die Waisen – kurzum, wir haben rasch begriffen, dass sie uns nur ihre ausländischen Juden auslieferten, ich musste sogar einen Transport aus Bordeaux stornieren, weil sie ihn nicht voll bekamen, mit diesen ausländischen Juden, wahrhaftig, ein Skandal, denn was ihre eigenen Juden anging, die also, die französische Bürger waren, will sagen, schon seit Langem, mit denen, müssen Sie wissen, war gar
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