Die Wohlgesinnten
Sonderkommando stehen, augenblicklich in Thessaloniki, und Siewerden sehen, wie schnell das geht, das ist schon fast vorbei. Danach bleiben uns noch Kreta und Rhodos, kein Problem, aber was die italienische Zone, Athen und den Rest angeht, das habe ich Ihnen ja schon erklärt. Und dann gibt es da natürlich noch alle möglichen technischen Probleme, nicht nur die diplomatischen, das wäre zu leicht, nein, vor allem Transportprobleme, also mit dem rollenden Material und damit auch mit der Verwendung der Waggons und dann noch, wie soll ich sagen, mit der Verweilzeit auf der Schiene, selbst wenn wir die Waggons haben. Es kommt beispielsweise vor, wir handeln ein Abkommen mit einer Regierung aus, wir haben die Juden in unserer Gewalt, und hopp, Transportsperre, nichts geht mehr, weil eine Offensive im Osten ist oder was anderes, und wir können in Polen nichts mehr auf der Schiene bewegen. Wenn dagegen alles ruhig ist, müssen wir unsere Anstrengungen verdoppeln. In Holland oder in Frankreich fassen wir alle in Durchgangslager zusammen und schleusen sie nach und nach durch, wenn Transportmöglichkeiten da sind, und auch das je nach Aufnahmekapazität, die ebenfalls begrenzt ist. Bezüglich Thessaloniki dagegen haben wir beschlossen, alles auf einen Schlag zu erledigen, eins, zwei, drei und vier, und das war’s. Seit Februar haben wir wirklich viel Arbeit, Transportmittel stehen zur Verfügung, und ich habe Befehl erhalten, das Ganze zu beschleunigen. Der Reichsführer möchte das noch in diesem Jahr abgeschlossen haben, und dass dann nicht mehr davon die Rede ist.« – »Und ist das durchführbar?« – »Soweit es von uns abhängt, ja. Ich will sagen, der Transportraum ist immer ein Problem, die Finanzen auch, weil wir die Reichsbahn bezahlen müssen, wissen Sie, für jeden Insassen, und dafür habe ich keinen Etat, ich muss zusehen, wie ich zurechtkomme. Wir stellen den Juden die Transportkosten in Rechnung, na gut, aber die Reichsbahn akzeptiert nur Zahlungen in Reichsmark oder allenfalls in Zloty, wenn wir sie ins GGschicken, aber in Thessaloniki haben sie Drachmen, und an Ort und Stelle kann man die nicht eintauschen. Also müssen wir uns was einfallen lassen, aber das schaffen wir schon. Danach kommen natürlich die diplomatischen Fragen, ich kann nichts machen, wenn die Ungarn Nein sagen, das hängt nicht von mir ab, das muss der Herr Minister von Ribbentrop mit dem Reichsführer klären, nicht ich.« – »Verstehe.« Einen Augenblick lang studierte ich das Diagramm: »Wenn ich recht verstehe, gibt der Unterschied zwischen den Zahlen dort in der Aprilspalte und den Zahlen links das potenzielle Vorkommen wieder, das durch die verschiedenen von Ihnen erläuterten Komplikationen beeinträchtigt wird.« – »Genau. Aber beachten Sie, dass das Gesamtzahlen sind, das heißt, dass ein großer Teil für den Arbeitseinsatz nicht interessant ist, weil Sie wissen müssen, dass da Alte oder Kinder oder ich weiß nicht was dabei sind, und daher können Sie von diesen Zahlen einen Gutteil abziehen.« – »Wie viel, nach Ihrer Meinung?« – »Ich weiß nicht, da müssten Sie beim WVHA nachfragen, Empfang und Selektion sind deren Problem. Meine Verantwortung endet mit der Abfahrt des Zuges, über den Rest kann ich nichts sagen. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass nach Ansicht des RSHA die Zahl der Juden, die vorübergehend für die Arbeit zurückgehalten werden, so gering wie möglich bleiben sollte: Große Judenkonzentrationen zu schaffen, wissen Sie, das wäre wie eine Einladung zur Wiederholung von Warschau, das ist gefährlich. Ich glaube, Ihnen sagen zu können, dass das die Meinung von Gruppenführer Müller ist, meinem Amtschef, und von Obergruppenführer Kaltenbrunner.« – »Verstehe. Könnten Sie mir eine Kopie dieser Zahlen überlassen?« – »Aber natürlich, natürlich. Ich schicke sie Ihnen morgen. Aber für Russland und das GG habe ich keine, das habe ich Ihnen gesagt.« Günther, der kein Wort von sich gegeben hatte, donnerte ein weiteres »Heil Hitler!«, während wir uns zum Gehen anschickten. Ichkehrte mit Eichmann in sein Dienstzimmer zurück, um mir noch einige Punkte erläutern zu lassen. Als ich schließlich gehen wollte, begleitete er mich. In der Eingangshalle machte er eine Verbeugung: »Sturmbannführer, ich möchte Sie diese Woche zu einer kleinen Abendveranstaltung bei uns zu Hause einladen. Wir machen gelegentlich etwas Kammermusik. Mein Hauptscharführer Boll spielt die erste Geige.« –
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