Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Schreibtischschubladen hervorzukramen und schickte ihm einige dankbare Gedanken, als er sogar einen Anstellungsnachweis für Zusatzpersonal fand.
Allerdings bemerkte Ninos etwas zu spät, dass die Razzia nicht allein vom Sozialausschuss ausging. Auch die Polizeieinheit Rauschgift, die Abteilung Brandschutz, die Finanzbehörden, das Amt für Umwelt und Gesundheit, das Ordnungsamt und die Glücksspielinspektion waren repräsentiert. Außerdem gehörte eine kleine Frau von der Einwanderungsbehörde zu der Truppe und hatte Matay zurück in die Küche geführt. Das dringlichste Problem stellte der geschmuggelte Alkohol dar. Doch Ninos hatte Matay sorgfältige Anweisungen erteilt, alles in Originalflaschen umzufüllen, und man konnte nur hoffen, dass deren Inhalt nicht getestet würde. Die Schmuggelkanister waren sicher in einer naheliegenden Garage untergebracht. Außerdem handelte es sich dabei lediglich um Wodka, die übrigen hochprozentigen Getränke stammten aus staatlich kontrollierten Unternehmen. Einer der allzeit schnittigen Abteilungsleiter des Lieferanten hatte Yamo seinen zuverlässigsten LKW-Fahrer zugewiesen. Er lieferte jede zweite Woche alkoholische Getränke ab, die eigentlich für den Export vorgesehen waren. Da der Alkohol offiziell zu einem billigen Exportpreis aus Schweden ausgeführt worden war – in ein Land mit geringerer Steuerlast – konnte man ihn zu einem niedrigeren Preis an die schwedischen Gaststättenbesitzer verkaufen.
Der ausländische Kunde existierte aber nur auf dem Papier, und der Alkohol hatte Schweden nie verlassen. Niemand war je auf die Idee gekommen zu fragen, warum der teure schwedische Schnaps sich beispielsweise ausgerechnet in der Ukraine derart großer Beliebtheit erfreute. Auf diese Weise konnte Yamo bereits für einen Hunderter eine Flasche erwerben, die in den staatlichen Alkoholgeschäften zweihundertfünfzig Kronen kostete.
Während der Zollbeamte hinter dem Tresen mit dem Geld klimperte, brachen die Gäste vorsichtig auf. Ninos flehte einen der Inspekteure um die Erlaubnis an, die Gäste und das Personal zu beruhigen, wurde aber stattdessen beordert, die beiden Kassen zwecks näherer Untersuchung ins Büro zu bringen.
»Nun machen Sie schon, beeilen Sie sich! Und versuchen Sie bloß nicht, die Kassenrollen auszutauschen«, rief der Mann, der dazu auserkoren worden war, sich an Ninos’ Hacken zu heften. Diesem war es gerade gelungen, die Kabel einer der Kassen zu lösen und sie einen guten Dezimeter von der Wand wegzuhieven. Dort, wo sie gestanden hatte, kamen einige Erdnüsse zum Vorschein, die Ninos schnell mit seiner gesunden Hand einsteckte, damit sein Plagegeist sie nicht entdecken und einen entsprechenden Vermerk machen konnte.
»Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit, und wir machen schon genug Überstunden, wissen Sie«, meckerte der Beamte in belehrendem Ton.
Nicht provozieren lassen, nicht provozieren lassen, sagte Ninos in Gedanken manisch vor sich hin. Mich kann man nicht provozieren. Stattdessen sah er zum Kontrolleur auf und sagte mit seiner piepsigsten Stimme:
»Vielleicht könnten Sie mir helfen, die beiden Kassen hinüberzutragen?« Für den Fall, dass der Mann seinen bandagierten Arm übersehen hatte, deutete er mit dem Kopf darauf.
»Das gehört nicht zu meinen Aufgaben, wissen Sie«, antwortete der Kontrolleur. »Unsere Richtlinien besagen, dass wir keine schweren Gegenstände heben dürfen.«
Aber ich darf, dachte Ninos rasend. Er wandte sich dem Inspekteur zu, aus seinem Blick schossen Schimpfworte, aus seinem Mund drang stattdessen: »Und wenn wir beide sie vielleicht gemeinsam tragen?«
Der Inspekteur schüttelte langsam den Kopf.
» Einen funktionierenden Arm haben Sie ja immerhin«, sagte er. »Wer ein Restaurant betreiben kann, dem wird es ja wohl auch möglich sein, eine Kasse zu tragen.« Sein Blick war ruhig, er wusste, dass er gewinnen würde. »Oder haben Sie in Ihrem anderen Arm etwa auch Schmerzen?«
Ninos antwortete nicht, sondern kniff nur kurz die Augen zusammen. Dann hob er die Kasse bis zu seiner Hüfte, sodass sie auf den Tresen kippte. Zunächst bekam er sie etwas schief zu fassen, wobei sie gegen seine Niere schlug. Dann gelang es ihm jedoch, sie gerade hochzuhieven, sodass sie auf dem Hüftknochen zum Liegen kam und ihm in die Seite schnitt. Wortlos schleppte er sich mit seiner klobigen Last am Inspekteur vorbei. Er hinkte so stark, dass er sich auf die Lippen beißen musste, um nicht umzufallen, aber just, als er
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