Die Wohltäter: Roman (German Edition)
doch allesamt Skifahrer. Gunde Svan. Sarajevo achtundvierzig. Und eure Jungs! Vegard Ulvang.« Emil klang immer verzweifelter. »Bjørn Dæhlie?«
Ninos lag flach auf dem Boden des kleinen Bootes und versuchte zuzuhören, mit der zunehmenden Erkenntnis, dass Emils Argumentation wirkungslos auf der Wasseroberfläche abperlte.
»Er glaubt dir nicht«, zischte Ninos in Richtung Geir und Steuerpult. »Emil hat vorhin zu mir gesagt, ihr Norweger würdet euch immer so eigenartig verhalten. Er glaubt, dieses Boot sei viel zu schwer, um so schnell zu fahren, wie du behauptest. Du bluffst ganz einfach nur, du kleiner norwegischer Hammel. Du würdest es nie wagen, mit uns eine Testfahrt zu unternehmen.«
Ninos hielt den Atem an und hoffte, dass Geir ihm nicht einfach nur seine Turnschuhe an den Kopf werfen würde. Als er hörte, wie der Motor ins Wasser glitt, der Zündschlüssel umgedreht wurde und ein dumpfes Grollen unter seinem Bauch zu hören war, freute er sich darüber, dass auf die männliche Eitelkeit immer Verlass war. Nicht einmal zehn Minuten später setzten die beiden Rasenkünstler ihre Füße auf das Festland von Miami Beach. Eventuell hatten sie unterwegs ihre Eingeweide verloren, vor allem Ninos, der lange über der Reeling gehangen hatte, während Geir voller Sadismus das praktizierte, was er »aktives Steuern« nannte, um den Wellen auszuweichen.
Ohne dass einer von ihnen es laut sagte, schworen sich sowohl Ninos als auch Emil, nie wieder einen Scherz über die Norweger und ihre Ölmillionen zu machen.
Ihren Texteinstieg fand Ninos geradezu poetisch:
Auf einer tropischen Insel vor Miami, bevölkert von Vögeln, die aus dem Regenwald des Amazonas hierhergebracht wurden, mit weißem Sand, der von den Bahamas importiert wurde, und einem ganzen Meer, auf dem er seine Segelflugzeuge landen konnte, baute ein amerikanischer Eisenbahnbaron einst sein privates Paradies aus italienischem Marmor und dem Mahagoni von einem napoleonischen Schloss.
Heute wird die Insel von einigen der reichsten Menschen der Welt bewohnt. Einer von ihnen ist ein Baron unserer Zeit – und seine Branche heißt Wohltätigkeit. Die Morgenzeitung hat das Versteck des Dänen Jens Karsten Møller gefunden, wo er seit mehr als zwanzig Jahren untergetaucht ist. Nach Informationen der Zeitung wird er derzeit von Interpol gejagt.
Die Überschrift lag auf der Hand. »Das Versteck des Wohltätigkeitsbarons« würde über eine Zeitungsseite gestreckt wunderbar wirken. Als Emil es zum ersten Mal laut sagte, schlugen sie triumphierend ihre Handflächen gegeneinander.
Ninos war auch von der kleinen, provokanten Zahlengrafik begeistert, die sie ebenfalls auf die Seite setzen wollten: Zunächst eine Aufzählung aller bekannten Firmen Møllers und deren Umsatz. Dann ein kleines Diagramm mit dem Durchschnittseinkommen auf Fisher Island im Vergleich zu den ärmsten Gebieten der USA und Details über den Minimallohn, den die Arbeiter auf der Insel verdienten. »Ein bisschen Klassenkampf«, hatte Ninos vergnügt verkündet.
Ganz unten auf der Seite erinnerten sie noch einmal daran, wer am allerwenigsten – nämlich überhaupt nichts – verdiente: die Freiwilligen, die bei den Ausbildern und bei der HHH arbeiteten.
Emil hatte sie in die Businesslounge am Flughafen geschmuggelt, damit sie ihre PCs an die Steckdosen in der Wand anschließen konnten. Sie waren frühzeitig angekommen, und nachdem ein Entwurf des Artikels über die Ausbilder fertig geschrieben und über die etwas launenhafte Telefonverbindung an die Redaktion in Stockholm gemailt worden war, schlug Emil vor, ein wenig verschwenderisch zu sein und zwei Clubsandwiches zu bestellen. Sie saßen in bequemen Sesseln, die offenbar für doppelt so große Menschen wie sie selbst gefertigt worden waren, und hatten einen Panoramablick über das Rollfeld. Der deutliche Geruch eines Reinigungsmittels mit Zimtnote hing in der Luft.
»Von da aus fliegen die Reichen, diejenigen, die Privatflugzeuge besitzen«, stellte Emil fest und zeigte auf eine Treppe, die von einem etwas weiter entfernten Gebäude hinabführte. Eine schwarze Limousine wartete dort mit laufendem Motor, um Passagiere zu ihrem Flugzeug zu bringen. »Mal sehen, ob wir jetzt einen Promi erkennen, mit dem wir dann in der Redaktion angeben können«, sagte er vergnügt zu Ninos, während er seine Beine ausstreckte, bis sie knackten.
Zuerst erschien eine Frau im Kostüm. Der Chauffeur stieg aus und hielt ihr die Tür auf. Ihr
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