Die Wohltäter: Roman (German Edition)
seine Kamera hervor und hielt den Auslöser gedrückt, sodass innerhalb von wenigen Sekunden eine schnelle Serie von Bildern des Flugzeugs entstand.
Der Chauffeur wandte sich verdutzt um, als er das kurze, schnelle Knattern hörte.
»Observador de aviones«, erklärte Ninos – plane spotter . »Loco«, murmelte der Latino und wendete das Auto.
Ninos ging langsam wieder in die Lounge hinein und nickte einer Stewardess zu, die gerade versuchte, einen aufgebrachten First-Class-Passagier zu beruhigen. Ninos verstand augenblicklich, warum der Mann so außer sich war, und wirbelte herum, um die Situation zu retten.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Ich habe aus Versehen die falsche Tasche mitgenommen«, sagte er und streckte sie einem verdutzten Gesicht entgegen. Statt eine Antwort abzuwarten, wandte er sich sofort ab und ging zu Emil, dem zwei große Schweißflecken unter den Armen gewachsen waren.
»Um Himmels willen«, sagte Emil aufgeregt. »Was war das denn? Ich habe dich gesehen. Kapierst du nicht, dass man dich hätte verhaften können? Dann hätten wir für immer hier bleiben müssen.«
»N379P«, buchstabierte Ninos, als er wieder im Sessel gegenüber von Emil versunken war.
»Was ist das?«
»Die Flugzeugnummer. Ruf deine Freundin an und frage sie, ob sie den Flieger finden kann.«
»Okay«, sagte Emil zögernd. »Aber was soll ich ihr sagen? Wir wollen ihr wohl kaum die Story verraten, wenn das tatsächlich Møller war in diesem Flugzeug, oder?«
»Sag einfach, dass es ein Flugzeug ist, das großen Schaden anrichten könnte. Und dass wir wissen müssen, welche Route es für gewöhnlich nimmt. Sie soll sich beeilen. Das Flugzeug ist bereits in der Luft.«
Die Antwort kam eine gute Stunde später, als Ninos und Emil durch den Schlauch zu dem Flugzeug gingen, mit dem sie nun selbst fliegen würden. Ninos hatte soeben sein Mittagessen mit zwei gezuckerten Krapfen abgerundet, und die Lautsprecher, aus denen beruhigende Fahrstuhlmusik drang, hatten dreimal hintereinander für ihn Groovy situation gespielt. Vom Zucker und der Anspannung fühlte er sich etwas dösig, während Emil auf das Display schaute, auf das ihm die Antwort per SMS übermittelt werden sollte.
»Dieses Jahr vier Flüge von Miami. ZRH HRE steht dort nur.«
Ninos kniff die Augen fest zusammen, während er sich in den Sitz fallen ließ und versuchte, sein Hirn anzutreiben, noch schneller zu arbeiten.
Eine Stewardess ging vorbei und bat sie schroff, die Telefone auszustellen. Beide nickten gehorsam.
Ninos zog sein Telefon aus der Tasche und beugte sich nach unten. Er versuchte, alle Abkürzungen durchzugehen, die er kannte, während er sein Telefon fest umklammert hielt.
»Wir können nicht starten, wenn sie das Ding nicht abschalten«, hörte er die Stewardess über seinem Kopf sagen. Nach ihrer Bitte war sie stehen geblieben, um auf den Knopfdruck zu warten, der ihr bestätigte, dass das Telefon abgeschaltet war.
Ninos sah auf und versuchte, entschuldigend auszusehen. »Natürlich. Ich muss nur ... «
»Sir. Ich bitte Sie, sofort das Telefon abzuschalten, sonst dürfen Sie das Flugzeug gleich wieder verlassen. FAA regulations«, sagte die Frau hart.
»ZÜRICH HARARE«.
Emil fuhr vor Schreck zusammen, als Ninos es herausschrie. »Das ist die Route!«
Mit zittrigen Fingern stellte Ninos die SMS-Funktion auf seinem Telefon ein und gab die Flugzeugnummer und die Abkürzung ein, so schnell er konnte. Er buchstabierte gerade ein neues Wort, als die Stewardess sich über Emil beugte und versuchte, Ninos das Telefon zu entreißen. Der entwich ihrem Arm, drückte auf Senden und schaltete danach sein Telefon aus. Er hielt es ihr unverschämt direkt vor die Nase, um ihr zu zeigen, dass es ausgeschaltet war. Sie kniff den Mund zusammen und ging weiter.
»Wem musstest du das jetzt unbedingt schicken?«, fragte Emil ein wenig verängstigt. »Wir können doch noch nicht einmal sichergehen, dass es tatsächlich Møller war.«
»Mir selbst. Ich muss mich ja daran erinnern«, erwiderte Ninos und schenkte Emil ein verschmitztes Lächeln.
42
TUVA
Sie hatte sich mehrmals über den Fußboden erbrochen, und Marius schreckte zurück, als er in die kleine Kammer trat, in der sie die letzten drei Tage und Nächte verbracht hatte. »Es ist wahnsinnig, dass du immer noch hier bist«, sagte er zu ihr. Tuva sah auf den Boden. Sie schämte sich. Sie hatte nicht gewollt, dass Marius sie in solch schlechter Verfassung sah.
Nach einer
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