Die Wohltäter: Roman (German Edition)
auch so mit. Er war nicht zum anderen Ende der Welt gereist, um Møller zu verpassen. Stattdessen drückte er der Reihe nach auf alle namenlosen Klingelknöpfe. Irgendein Nachbar würde ihnen bestimmt Auskunft darüber geben können, wo das Ehepaar Møller beziehungsweise Jaeger sich derzeit aufhielt, oder ob sie überhaupt in der letzten Zeit hier gesichtet worden waren. Niemand reagierte auf das Klingeln, aber kurz darauf stand ein quadratischer Mann mit Sonnenbrille vor ihnen.
»Security«, sagte er nur. »Sagen Sie mir, wer Sie sind und was Sie hier zu tun haben.«
Emil machte einen erschrockenen Satz. Ninos fing unverzüglich an zu schluchzen. »Meine Freundin. Sie hat Schluss gemacht. Sie weigert sich, mit mir zu sprechen«, rief er empört. »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Okay, Junge«, sagte der Quadratische in bedauerndem, aber noch immer bestimmtem Tonfall. »Wir dürfen nicht zulassen, dass Sie die Nachbarn belästigen, auch wenn Sie hier wohnen und Ihr Herz soeben gebrochen wurde. Ich muss Sie bitten, nun von hier zu verschwinden.« Dann klopfte er Ninos auf eine Weise auf den Rücken, die sicher freundschaftlich ausfallen sollte, aber Ninos blieb die Luft weg, und einen Moment lang glaubte er, das Butterbrot würde wieder seinen Weg nach draußen finden.
Emil hatte sich bereits auf den Weg zum Bootshafen gemacht, und Ninos beeilte sich, ihn einzuholen. Sie verpassten die vorletzte Fähre um genau eine Minute, und Ninos wurde etwas gereizt. Sie hätten also gut und gern noch ein wenig Zeit vor Møllers Haus verbringen können. Aber er sah ein, dass sie den Weg zu seinem Haus nicht noch einmal schaffen würden, bis die nächste Fähre ging.
Emil nahm es mit Gelassenheit. »Die letzte geht in einer halben Stunde, und wir werden Miami nicht vor morgen verlassen. Komm, wir sehen uns den Hafen an«, schlug Emil vor und offenbarte sich als Bootsfetischist.
Ninos willigte ohne Proteste ein. Er interessierte sich nicht für Boote, aber sein Kopf war voller Gedanken über Møller. Ganz offensichtlich waren sie so nah an ihm dran gewesen wie kein anderer Nicht-Ausbilder in den letzten Jahrzehnten. Vielleicht sollten sie doch noch ein wenig verweilen. Andererseits konnten sie zeigen, wo er wohnte. Vielleicht musste das genügen. Die Tagelöhner auf der Insel waren alle dazu verpflichtet, die Fähre zurück aufs Festland zu nehmen, aber sie mussten sich auf dem Rückweg nicht registrieren lassen Zumindest hatte Marcela das gesagt. Sie war dafür verantwortlich, dass sie von hier wegkamen.
Emil überschlug sich sofort vor Begeisterung über die Bootsausstellung in dem privaten Hafen und hielt Ninos der Reihe nach Vorträge über Motoren, Pferdestärken, Schiffsrümpfe und Wasserlage. Die richtig großen Yachten interessierten Emil nicht, er sprach am meisten und eifrigsten über die kleineren Exemplare, die in Ninos’ Augen trotzdem aussahen wie kleine Häuser. Emil kannte alle verschiedenen Typen und redete ununterbrochen, während er wie in einer Sportberichterstattung deutete und gestikulierte.
»Eine 36 Fuß Bertram mit doppeltem V8. Eine ChrisCraft; ein Stinger mit Volvomotoren, oh, schau mal, dort, eine Donzi mit, du liebe Güte, mit Doppelmontage von zwei Zweihundert-PS-Motoren.«
Ninos nickte aufmunternd, obwohl er Emils Erregung überhaupt nicht nachvollziehen konnte.
Als sie fast ein ganzes Ponton hinaufgeschlendert waren, verharrte Emil und stieß einen Laut aus, der beinahe wie ein Schluchzer klang, in Blickweite von etwas, das wie eine unansehnliche Seifenschale aussah und hinter einem größeren Segelboot lag.
»Das verstehst du nicht«, begann Emil mit ehrfürchtiger Stimme, »dies ist eine Hydrolift. Sie schafft gut sechzig Knoten. Der Unterwasserrumpf ist so designt, dass er sehr leicht durchs Wasser gleitet. Und die geringe Auflagefläche sorgt für eine hohe Geschwindigkeit. Verstehst du?«, fragte er Ninos, der erneut nickte, ohne etwas zu begreifen.
Emil reckte sich ein wenig und schüttelte den Kopf. »Das ist verrückt. Es ist mit einem dreihundert PS starken Mercruiser ausgestattet, einem viel zu schweren Motor für ein so kleines Boot. Vielleicht kann es sogar mehr schaffen als sechzig.«
»In der Tat – siebzig« , sagte eine schmächtige Stimme hinter ihnen auf Norwegisch. Emil und Ninos drehten sich beide um, und hinter ihnen stand ein schmaler junger Mann in kurzen, weißen Tennisshorts und einem Pikeepullover mit einer Scheuerbürste und einem Eimer in der Hand
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