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Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Die Wohltäter: Roman (German Edition)

Titel: Die Wohltäter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nordberg , Nuri Kino
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damals viel mit solchen Dingen beschäftigt.«
    Ingrid war in die dänische Kommune ihres Freundes gezogen, erzählte sie, verlor jedoch mit der Zeit das Interesse an ihm.
    »Als wir von unserer Reise nach Dänemark zurückkehrten, beschlossen wir, eine eigene Wohltätigkeitsorganisation zu gründen und selbst freiwillige Helfer auszubilden. Die Organisationen, die es schon gab, waren unserer Meinung nach nicht effektiv genug. Wir wollten eigene Methoden entwickeln, um den Menschen in den Entwicklungsländern zu helfen. Vor allem wollten wir vermeiden, dass große Organisationen mit ihrem Verwaltungsapparat alle Spenden auffraßen. Wir traten für mehr Kleinteiligkeit ein, für Hilfe von Mensch zu Mensch; direkt und vor Ort. Wenig Theorie und viel Praxis, hieß unsere Devise. Wir hatten keine Ahnung, wie man das anstellte, aber wir hatten das Gefühl, alles wäre möglich.«
    Sie machte eine theatralische Geste.
    »Und eine Zeit lang war das auch so. Schon nach wenigen Jahren hatten wir einen Hof gekauft, zehn Schulen für Erwachsene und Kinder gegründet und das größte Windkraftwerk der Welt gebaut. Mit unseren eigenen Händen. Dank dem Windrad, also dem Kraftwerk, wurden wir weltberühmt. Viele wollten sich uns anschließen. Das war eine phantastische Zeit. Wir arbeiteten wie die Verrückten, aber wir genossen jeden einzelnen Moment. Es war tatsächlich eine Revolution. Wir erschufen eine neue, eigene Gesellschaft, außerhalb der anderen, die wir verachteten.« Plötzlich verstummte sie und sah Ninos und Anna an.
    »Ich würde gern mehr über diesen Møller erfahren, der immer in deinen Albträumen vorkam”, sagte Anna vorsichtig. Ninos überlegte erneut, wie viel Ingrids Tochter eigentlich wusste.
    Ingrid schluckte. »Er hieß Jens Karsten Møller. Ich träume von ihm, weil er viele Jahre lang Macht über mein Leben besaß; über mein Gehirn, ja, über mein gesamtes Ich. Alles, was ich war, gehörte ihm. «
    »Aber warum?«, wagte nun auch Ninos zu fragen.
    »Jens Karsten war der Intelligenteste und Charismatischste unter uns. Er ernannte sich zum Führer, und niemand widersprach. Es schien einfach selbstverständlich – denn er war ja auch tatsächlich der Schlauste, Stärkste und Schillerndste. Wenn er sprach, hing man förmlich an seinen Lippen. Wenn wir kurz davor waren, aufzugeben, wurde er rasend und zweifelte daran, dass wir wirklich die Gesellschaft verändern wollten. Er mahnte, wenn wir nichts unternähmen, würde alles zusammenbrechen. Man konnte ihm nicht widerstehen. Er wurde nie müde. Und gab uns unentwegt Energie.«
    »Zu diesem Zeitpunkt wurde er also zum Sektenführer?« Ninos wollte zeigen, dass er schon etwas mehr über Sekten wusste.
    »Ja.« Sie hielt inne. »Jedenfalls war das der Beginn einer Sekte. Immer mehr Menschen schworen ihm ewige Zusammenarbeit, was rein praktisch bedeutete, dass man sein Leben für die Sache gab und Møller als Führer anerkannte. Und dass man all seine Zeit – und all sein Geld – mit ihm teilte. Für immer.«
    »Und das habt ihr schriftlich festgehalten, oder wie?«
    »Nein, doch es war, als würde man einer heiligen Gemeinschaft beitreten. Man wurde auserwählt. Es wurden auch nicht alle gefragt. Nur die besten.«
    Ninos legte verwundert seinen Kopf schief.
    »Wir hatten unsere eigenen Regeln«, ergänzte Ingrid. »Es wäre undenkbar gewesen, eine Absprache mit dem Führer nicht einzuhalten.«
    »Hattet ihr einen Namen?«
    »Zunächst nannten wir uns Die Retter. Nach einigen Jahren entschieden wir uns aber für Die Ausbilder. Das klang neutraler. Unseren Ausbildungsbereich nannten wir › skoler for en bedre verden ‹ – ›Schulen für eine bessere Welt‹. Das dänische Bildungsministerium akzeptierte sie als alternative Schulen, sodass uns dieselben Mittel zustanden wie den staatlichen Schulen. Die Kinder lernten alle herkömmlichen Fächer wie Mathematik und Englisch, aber der Unterricht war strenger – und wir waren penibel darauf bedacht, dass es so etwas wie Mobbing nicht gab. Trotzdem fanden wir unseren Unterricht menschlicher und liebevoller. Es ging immer darum, das Miteinander zu lernen, für ein höheres Ziel.
    »Aber warum unterstützte die dänische Regierung die Schulen finanziell?«
    »Sie hielten das für eine gute Sache, wir taten ja nichts Ungesetzliches. Wir wurden zu den sogenannten Freischulen gezählt und befolgten alle Auflagen. Der dänische Staat zahlte unsere Lehrergehälter, und die waren unsere wichtigste

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