Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Einkommensquelle.
Aber ihr wisst noch nicht, was daran besonders raffiniert war«, fuhr sie lächelnd fort. »Alle Lehrer, die Ausbilder waren, warfen ihre Gehälter in einen gemeinsamen Topf. Keiner verwaltete seine Finanzen und seine Zeit selbst. Mit diesem Geld sollte die Welt gerettet werden – Menschen sollten von Armut befreit werden, Kranke mit Medizin geheilt. Wir brauchten kein eigenes Geld. Alles war Gemeingut. Und die Schulen waren äußerst beliebt. Das Geld strömte nur so herein, und um die hohe Nachfrage decken zu können, wurden immer mehr Lehrer ausgebildet. Das Geld aus dem Lohntopf wurde in einen neuen Geschäftszweig investiert.«
Anna unterbrach sie. »Aber es gab doch größere Organisationen, in denen du dich hättest engagieren können. Oder etwas ganz anderes machen.« Sie saß auf der äußersten Sofakante und wirkte sehr eifrig.
»Liebling ... « Ingrid begann erneut und unterbrach sich. »Wie soll ich das erklären ... Wir waren der Meinung, alles selbst am besten zu können. Und es war eine andere Zeit. All unsere Bedürfnisse wurden befriedigt. Wenn man Teil eines großen Ganzen ist, wird der eigene Vorteil mit einem Mal vollkommen unwichtig. Sollte ich dafür arbeiten, dass ein Säugling etwas zu essen bekam oder ihn verhungern lassen? Man will nicht länger etwas zurückbekommen. Man will alles geben, was man besitzt.«
Anna sah nicht vollkommen überzeugt aus.
»Zu dieser Zeit waren wir eine Massenbewegung«, erklärte Ingrid. »Wenn viele Menschen an eine Sache glauben, entsteht daraus eine unglaubliche Kraft. Stell dir vor, du hast wirklich das Gefühl, die Welt verändern zu können – in der Realität. Man fühlt sich komplett berauscht. Nichts anderes spielt mehr eine Rolle. Wir haben viele phantastische Dinge getan und den Menschen wirklich geholfen.«
Sie schluckte. Nun folgte das Unangenehme. Es hatte sie viele Jahre gekostet, es formulieren zu können.
»Ich möchte, dass ihr – vor allem du, Anna, versteht, warum wir zuließen, dass Møller solche Macht über uns erlangen konnte. Wir haben so viele glückliche Momente zusammen erlebt. Die Ausbilder sind nicht durchweg schlecht. Viele der Menschen in den Schulen, Hilfsprojekten und Unternehmen haben ihr Bestes getan und sind noch immer davon überzeugt, dass sie durch ihren Einsatz die Welt verbessern. In unserer Gemeinschaft herrschte auch eine große Geborgenheit.«
»Aber wenn nicht alles schlecht ist und die Ausbilder die Welt verbessern wollen, warum bist du dann nicht geblieben?«
Der Hund war wieder hellwach, nachdem er eine Weile verstummt war. Er jaulte und begann erneut an der Tür zu kratzen. Ninos musste sich konzentrieren, um nicht vor Nervosität zu zittern. Diese Geschichte war wichtig.
»Weil das Geld nicht ankommt.«
Mit diesem einen Satz bestätigte Ingrid alles. »Aber das wissen all die nicht, die Stunden, Tage, ja sogar Jahre ehrenamtlich dafür arbeiten, den Armen zu helfen. Ganz ohne Lohn. Die Kommune ist ihre Familie, und sie haben den Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Dass ihr Führer ein machthungriger Betrüger ist, erkennen sie nicht, denn alles geschieht doch im Namen der Gerechtigkeit. Møller selbst glaubt daran, ein Messias zu sein. Auf diese Weise rechtfertigt er sein eigenes Luxusleben, seine Betrügereien und andere kriminelle Machenschaften und auch, dass seine Anhänger achtzehn Stunden am Tag schuften. Zu Beginn hat das niemand erkannt.«
Sie sah traurig aus. »Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass es von Anfang an so zuging. Wir wuchsen einfach schnell, und unsere Mittel wurden immer größer. Ich habe viel darüber nachgedacht und glaube, man kann unseren Führer mit einem Diktator in einem Entwicklungsland vergleichen. Jemand, der mit phantastischen Ideen eine Menge Anhänger für sich gewinnt. Dann steigt die Macht ihm zu Kopf und er wird zu einem Despoten, der sich weigert, seine Macht wieder abzugeben.«
Ninos wusste, wie Zorans Analyse dazu ausgesehen hätte. Dass dies nach einem umständlichen Verfahren klinge, um an Geld zu kommen, obwohl es gleichzeitig sehr effektiv sei. So viele Jahre als vermeintlicher Weltverbesserer herumzulaufen, bevor man sich in ein luxuriöses Leben zurückziehen konnte – das klang ziemlich arbeitsintensiv.
Ninos schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber wie kommt es, dass niemand ihm auf die Schliche gekommen ist? Und wie kannst du wissen, dass es so ist?«
Ingrid musste zunächst über Ninos Entrüstung lachen, dann wurde sie
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