Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
fielen seine Waffen und sein Ross an den Bezwinger. Mehr als mancher Eisenmann besaß. Waren viele doch halbe Bauernlümmel, die sich die Requisiten ihres Standes ausleihen mussten.
Sandgewirbel. Dreißig neue Recken ritten ein. Unterschiedlich gekleidet und aufwendig herausgeputzt, Federn, Hörner, Glück bringende Tiere oder Puppen auf ihren Helmen tragend.
Ein Angriff wie bei einer Gorgonenschlacht. Alle krachten gleichzeitig aufeinander und alle, bis auf einen, wurden vom Pferd geschleudert und warfen ihre Gliedmaßen in die Luft. Die Zuschauer lachten Tränen. Ironischer Trompetenlärm. Mancher, der eben noch wie tot im Sand lag, bestieg eine Bank, schwang sich erneut auf sein Ross und griff, lanzenversorgt, einmal mehr an.
So ging dies eine brachiale Stunde lang. Meine Denknuss unterdessen gut massiert. Gähnte ich doch angesichts all der Mannhaftigkeit oder schoss ein Kügelchen auf die Turnierbahn, das ich aus meiner Nase gefischt hatte.
„Vom Nasenloch- zum Popelphilosoph“, äffte ich, das feine bayrische Fräulein errötete.
Dann stellte ich mich im größten Angriffgetümmel schlafend. Da dies aber viele Lacher einbrachte, auch bei der bayrischen Verwandtschaft, hörten die Kopfnüsse auf.
„Weiter so, aber geschmackvoll“, flüsterte mein Herr.
Nur ein Eisenmann schien mit seinem armen Ross verwachsen zu sein. Es war der junge Caspar Notthafft von Wernberg, ein einfacher bayrischer Ritter. Schon beim Fußturnier hatte er manchen Graf mit tüchtigen Hieben verdroschen.
Diese Tatkraft bewies der junge Caspar nun auch beim Tjost. Die Liebste als grün gekleidetes Püppchen auf seinem Helm in der Farbe des Gewandes, das die Angebetete am Turniertag trug.
Nun war die Puppe zerfetzt, der Kampfgeist des Verliebten aber ungestillt.
Dummerweise waren Herrn Caspar die Gegner ausgegangen, seine Lanze war ungebrochen. Ging das mit rechten Dingen zu? War sie tatsächlich hohl?
So beschloss er, das Triumphtor zu attackieren. Ließ sich Raum schaffen und stürmte mit solcher Wucht los, dass seine Lanze drei Handbreit in die Verkleidung des Portals eindrang. Der Aufprall war so unfassbar, dass das Streitross mit den Vorderläufen in der Luft hängen blieb. Ross und Reiter zur Skulptur erstarrt. Selbst Thomele verging das Gähnen und Popeln.
Caspars Knappe rannte herbei und jammerte: „Herr Caspar, stürzt Euch vom Pferd, wenn Ihr lebt.“
Ächzend wie ein gefällter Baumriese fiel er aus dem Sattel. Das Publikum, zunächst starr vor Entsetzen, tobte minutenlang. Wie der Zwerg später herausfand, hatte der junge Rammbolzen sich an der Stechhand etliche Finger ruiniert. So wurde auch diese Heldenposse mit Blut veredelt.
Caspar Notthafft empfing den Turnierdank aus den zarten Händen der Edlen Anna Maria Eisenreich, an die ich mich angeschmiegt hatte. Dreißig Gegner hatten nicht vermocht, ihn in den Sand zu schicken.
Jeder wartete auf ein Wort vom Turniersieger, vom Lanzengott. Herr Caspars Halsmuskeln, vom Helm befreit, machten glauben, er könne barhäuptig gegen das Triumphtor anrennen. Holz gegen Holz.
„Allein mit der Kraft der Liebe habe ich gesiegt, der Liebe zu Anna Jacobe Lösch“, druckste er dann mit so kindhafter Stimme heraus, dass ich laut ausrief:
„Ich bin das Zwergenmännlein. Weiß er dies nicht?“
Viele Lacher, eine Kopfnuss. Umso lauter schrie ich: „Wenn Ritter wie Zwerge reden, dann zieht ein Thomele in den Krieg!“
Als Zeichen meiner Entschlossenheit erhob ich meine Faust gegen den Turniersieger, der hilflos dreinblickte. Ein Paradebeispiel ritterlicher Hirnerweichung.
Um nicht vor aller Augen weiter seinen Zwerg zu züchtigen, trat mein Herr auf meine Zehen. Erst als auch der mächtigste aller Wittelsbacher auflachte, ließ er von mir ab.
Dem Sieger zu Ehren wurde eine Kartusche angefertigt:
„Caspar Notthafft bin ich genannt, also probier ich meinen Stand, auf meinem Helm führ ich die Zart, durch deren Lieb ich sieghaft war!“
Von seinem Zwergenstimmchen kein Wort. Helden und Humor vertragen sich nicht.
Es ging immer um Ruhm und immer um Frauen. Venus, die Helmzier vieler Ritter, verzauberte jeden Eisenmann. Machte den Fürsten zum Liebestölpel, den Turnierkönig zum Fatschenkind.
Hätte Thomele einen Karren gelenkt, der junge Herr Caspar wäre eingestiegen. Mein Herr auch in einen Henkerskarren.
Die Frau mit den schönen Nasenlöchern, flackerte sie in München auch nur als fernes Trugbild, würde weiter seinen Verstand verwirren.
4
Als ich das Geschrei
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