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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Meighörner
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uns bleiben, um hier verewigt zu werden?“, fragte ich meinen Herrn, um mehr Zeit mit ihr bemüht.
    Er winkte ab. „Ich zeige nur, was ich besitze.“
    Da begriff ich, dass ich ihm nie mehr wirklich gehören würde.
    Die Sammellust meines Herrn hatte uns auch Wurzelmuck beschert. Seine Arme und Beine waren wie Lianen verdreht. Ineinander und unlösbar. Vor zarten Gemütern wurde er hinter einem roten Vorhang verborgen gehalten. Er sei nur ein halber Höfling, feixte Muck, da man ihn zwar mit Samtkappe und steifer, weißer Halskrause, ansonsten aber unbekleidet exponierte. Schließlich sollten die Betrachter den Lauf seiner verwobenen Glieder bis in die Gelenkpfannen hinein studieren könnten. Lustvoll angewidert. Verunglückte Geschöpfe haben jedoch selten ein verunglücktes Gemüt.
    Eine Schandtat sollte dieser denkwürdige Tag noch bringen. Beim Rundgang durch Ferdinands Walhalla entglitt Philippine ihr Schnäuztuch. Giovanni Bona bückte sich danach, höflich. Genau dann knallte meine Hand in sein Gesicht.
    Den geizigen Fürst von Sachsen schienen die zwanzig Goldstücke für die verlorene Wette nicht zu reuen. Hatte er anderweitig Gewinn gemacht?
    Was denken, wenn man später erfährt, dass die Vogelschnäblin das Verschwinden der Bademagd mit einem goldenen Ring erkauft hatte? Einem Ring vom Finger ihres Herrn. Dem Mann, der sich mit ihr und mit mir hatte schmücken wollen. Der uns Zwerge brüten wollte.
    War dies Liebe oder war dies Verrat mit Vogelknopfaugen und Rosinenzehen?

8
    Würden sie mich in einen Sack stecken, die Häscher des Kaisers? Oder würden sie mich vor aller Augen in die Hocke zwingen und zwischen meinen Kniekehlen einen Stock durchzwängen, um meine Hände und Füße daran zu binden?
    Nicht ohne mir zuvor jedes Fitzelchen Stoff vom Leib gerissen zu haben. Mein nacktes weißes Fleisch, meine langen Glieder zu einem Bündel verschnürt.
    Jedes ehrbare Weib wäre dann gerne tot. Doch das Leben ließ sich nicht so leicht aus einem Körper vertreiben.
    Dieses Gliederbündel würde gierig Luft einsaugen für seine letzte Reise. Dann käme der Aufprall, die Kälte. Der Kampf der Lunge, den letzten Atem nicht entweichen zu lassen.
    Unterdessen drückten die Henkersknechte das Bündel mit langen Stangen unter die Oberfläche. Fließendes Wasser musste es sein. Es sollte mich doch von der Mannsteufelei reinigen, derer der Kaiserbruder mich beschuldigte. Schriftlich beschuldigte.
    Wäre das Säcken ein gnädigerer Tod? Niemand stirbt gerne nackt. Wenn sie nur keine lebendigen Tiere in den Leinensack mit hineintäten:
    Einen Hund, einen Hahn, einen Affen und eine Schlange – so forderte es die Tradition.
    Doch wo an der Moldau, am Lech oder am Inn einen Aff’ und Giftgewürm finden? Henkersknechte hätten immer Schlangenbilder dabei, hieß es. Und griffen statt einer Meerkatz’ gerne einen großen schwarzen Kater.
    Das Viehzeug würde mich zerkratzen, zerhacken und zerbeißen, um dann in Todesangst seine Gedärme über mich zu entleeren. Gab es Gnade für Weiber, die derart besudelt vor ihren Schöpfer treten müssten?
    Im Ersäufen Augsburger Bürgerstöchter waren sie geübt.
    „Wir wollen das Baderstöchterlein fein baden. Es von ihrer Sünd’ an Fürst Albrecht reinwaschen“, hatten die Häscher Herzog Ernsts beim Säcken der Agnes Bernauer gehöhnt. Und der junge Albrecht? Hatte sich dem Vater gefügt. Eine ewige Messe hatte er seinem Weib, der Bernauerin, noch gestiftet. Und sogleich Anna von Braunschweig gefreit. Standesgemäß.
    Kaiser Sigismund persönlich hatte damals den Männerzorn gemäßigt. Darauf verstand er sich. Hatte er doch zuvor das bürgerliche Weib seines Schwagers Friedrich von Cilli ertränken lassen. Auch dieser ritt noch in seinem Gefolge mit.
    Hatte nicht sogar ein Welser, mein Großonkel Anton, die Lamenit als Hexe ertränken lassen? Die Gespielin sei lästig geworden, hätte gelogen, hieß es.
    Ja, ich werde mich hüten müssen. Hat Ferdinands Kaiserbruder doch verkündet, er sähe mich – „die verdammte Hündin“ – gerne in einem Sack.
    Es gäbe nur einen einzigen Trost: so ein verschnürtes und ersäuftes Menschenbündel – das wäre nicht mehr ich.

Innsbruck 1576
Ballett der Särge
    Tote sind gut für die Lebenden, sofern sich mit ihnen Politik machen lässt. Das lernt ein Hofzwerg schnell.
    Philippine, Nichte und Tochter ehrbarer Kaufleute, traf das Spiel mit den Toten jedoch unerwartet.
    Alles fing damit an, dass Sigismund II. von Polen-Litauen im

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