Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Philippine den Bären frisches Wasser bringen. Honigwasser, das diese liebten und sofort tranken, denn der Tag war heiß.
Zur angesagten Stunde kamen alle. Auch der lustige Tischrat Frank, ein feuchtes Tuch auf der Stirn, denn der Sturz hatte aus seinem wulstigen Schädel eine Beule sprießen lassen.
„Bald ist deine Stelle vakant und ich bekomme die Zwergin“, höhnte er.
Ich hatte schon die Fäuste geballt, als Konrad mich schnappte und vor den Zwinger zerrte. Hinkend.
Braunkittel hätte ihn gebissen, aus Eifersucht. Hätte er doch zuerst an dessen Weib von einem Spieß rohes Fleisch verfüttert, hieß es.
Jetzt biss ich Konrad in den Arm, doch schon hatte er mich durch die Futterklappe gedrückt.
„Die beißen besser“, lachte er.
Die Bären räkelten sich verschlafen. Straften das unbekannte Futter durch Missachtung. Das erzeugte lautes Missfallen bei den Wettbrüdern, so dass Konrad sich den Fleischspieß griff und die Bären piesackte. Der lustige Tischrat Frank blies in sein Jagdhorn. „Tanzmusik“, krähte er.
Nun doch in seinem Wohlbefinden gestört, brüllte Braunkittel fürchterlich und rieb sich die Augen mit den Tatzen, deren Krallen lang waren wie Dolche.
Ich würde sterben. Als Püppchen sterben. In spanische Hoftracht gekleidet, mit weißem Spitzenkragen, weißen Stiefelchen, die sich kontrastreich von der schwarzen Seide abhoben, und einer schwerer Goldkette, die bis zu meinem goldenen Gürtel hinunter baumelte. Die teure Staffage würden die Fleischfresser wohl verschmähen, den Inhalt sicher nicht. Meinen Degen hatte dieser Schuft Konrad mir entrissen.
Braunkittel stellte sich auf die Hinterfüße und zeigte mir sein enormes Gebiss. So, als ob ich es sei, der ihn drangsaliert hätte und ihm nun sein Weibchen abspenstig machen will.
„Geh auf ihn zu, bevor er dich angreift“, hatte Philippine mir eingeschärft. „Ganz ruhig.“
Ein Zwerg, vor der Wahl zwischen dem Teufel und dem Beelzebub, entscheidet sich für beide.
So tat ich wie geheißen. Mehr noch, ich schlang meine Ärmchen um den Bärenleib. Reichte Braunkittel nur bis zum Unterbauch, roch seinen beißenden Urin, seine flohpelzige, ranzige Haut und seinen Atem, der stank, als hätte er fünf von meiner Sorte gefressen und in seinem Maul verdaut.
Das Tier richtete sich zu seiner ganzen Größe auf, ich versank im roten Pelz. Dann spürte ich seine Pranken auf meinen Schultern, sanft. Ein haariger Großvater mit seinem kleinen Enkel. In einem Moment der Zärtlichkeit.
„Ihr seht, er kann es. Konrad, hol ihn raus.“ Ferdinand klang nervös. Doch bevor der Geheißene auch nur Anstalten machen konnte, hatte Ursina sich brüllend erhoben und trottete herbei.
Laut wie ein Windhauch schnüffelte sie an dem Wesen, das ihren Mann umschlungen hielt. Ihr Atem strich über meinen Rücken, meinen Schädel, mein Genick. Ihre Zunge ging den gleichen Weg. Prüfte sie auf diese Weise eine vermeintliche und so winzige Nebenbuhlerin?
Ich erwartete den finalen Biss, hoffte nur noch, dass es schnell geht. Dass mein Genick sofort bräche – als sie sich der Umarmung anschloss.
Eine kurze Ménage-à-trois, ein Gestank, wie in der Hölle. Dann fiel das Liebespaar um. Schreie gellten auf.
Nun verkeilten sich die riesigen Körper dergestalt, dass sie den Zwerg nicht erdrückten, er aber nicht unter ihnen hervorkam.
„Wollt ihr dem Bärenbetörer nicht helfen?“, rief ich aus dieser denkbar unbequemen Position.
Nach aufgeregtem Geschnatter wurde Giovanni in den Käfig befohlen.
„Isch nixe todemüde“, wollte er sich weigern, als Ferdinand ihm mit sofortiger Entlassung aus dem Dienst drohte.
So war es der Riese, der mich unter den Pelzleibern hervorzog, um mich mit dem gleichen Schwung in einen Haufen frischen Bärenkots abzusetzen.
„Muckeschisse, große Scheiße“, diese Worte waren in seinem Repertoire nicht neu.
„Dafür ohrfeige ich dich“, schrie ich. Die Festgesellschaft lachte Tränen, mancher erleichtert, dass er keine Zerfleischung hatte anschauen müssen.
„Darauf wette ich nochmals. Das schafft der Bärenbetörer aber sicher nicht“, rief der Sachse.
Ferdinand zögerte. Seine Wettlust hatte wohl der Schreck ihm ausgetrieben.
„Ich wette um zwanzig Goldstücke. Gold für die Armen. Thomele schafft es!“ Es war Philippine, die diese Fürstenwette aufgriff. Die gesamte Festgesellschaft verstummte. Ferdinand zog die Augenbrauen hoch. Doch welcher Fürst würde sich von einem Weib vorführen lassen? So war es
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