Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Jahr 1572 verstarb. Ein Vierteljahrhundert Streit mit dem zänkischen polnischen Adel ließen ihn gerne die Augen schließen zur ewigen Ruhe. Oder lag es am Zeugungsstress mit wechselnden Ehefrauen?
Sigismunds erste Ehe mit Elisabeth von Österreich, der Schwester meines Herrn, war unglücklich verlaufen. Als dritte Frau des Polenkönigs folgte deren Schwester, Katharina von Österreich, von der es hieß, sie hätte fallsüchtig mehr Zeit mit Ärzten und mit Riechsalzfläschchen verbracht als im Ehebett. Nun erlosch das Königsgeschlecht der Jagiellonen im Mannesstamm.
So kam der Kaiserbruder meines Herrn ins Spiel. Beides Söhne der fruchtbaren Anna Jagiello, entschied der Ältere, Ferdinand müsse als Königsanwärter in Krakau vorstellig werden und die Schwester Sigismunds freien, damit die eigensinnigen Polen beschwichtigt seien. Kinder zeugen und etwas hermachen könne er ja gut.
Jetzt könne er auch Ordnung in sein Leben bringen und seine unstandesgemäße Beischläferin heimschicken. In die deutschen Lande oder noch besser dorthin, wo der Pfeffer wächst, den diese Welser dann ernteten.
Hatten die Tiroler Landstände sich doch bei ihm für eine Trennung ausgesprochen. Erneut. Auch sollten die zwei Knaben, die Ferdinand mit dieser Person hätte, für immer von allen Ämtern ausgeschlossen sein. Sollten zugunsten standesgemäßer zukünftiger Kinder auf alle Erbansprüche verzichten, schrieb er. So wünsche es der Adel in Tirol.
Nun war Ferdinand ganz zerrissen. Welcher Zweitgeborene wird nicht gerne König? Sein Vater hatte es so bis auf den Kaiserthron geschafft. Im fertig gestellten Tanzsaal von Ambras, der prächtigsten und größten Halle, die ich je sah, hatte Ferdinand sich als Fresko verewigen lassen: als Herkules, die Keule zu Schlag erhoben, sein Haupt zierte ein Löwenhelm.
Mein Herr wäre aber nicht mein Herr, wenn er den Polen nicht die Frau seines Herzen hätte einreden wollen. Schon ließ er sie ihre schönsten Gewänder einpacken, um mit ihm an die Weichsel zu reisen. Die Landesmutter von Tirol und neuerdings auch Markgräfin von Burgau sei schön, sei klug und so gottesfürchtig, dass sie Polen alle Ehre mache, ließ er den polnischen Gesandten ausrichten.
Es freue sie, wenn Ferdinand von Österreich amüsante Kurzweil hätte. Mit dem Franzosen Henri von Valois hätte jedoch ein Ehrenmann vorgesprochen, einer, der eine Mätresse nicht für angemessen hielt, Königin von Polen zu werden, ließ man Ferdinand aus Krakau zukommen.
Ich bin ein Zwerg, ich weiß, wie man beleidigt: Doch diese Pointe war so spitz, dass sie sogar in Wien dem Kaiserbruder unter die Haut drang. Die Frechheit der Polen sei bodenlos und nur übertroffen von der politischen Dummheit seines Bruders. Mit seiner Beischläferin mache er das Haus Habsburg in der ganzen zivilisierten Welt zum Gespött.
Es folgte der Krieg der Särge.
Ferdinand hatte die Fertigstellung der Hofkirche zu Innsbruck vorangetrieben. Eine Kirche allein dazu geschaffen, das Grabdenkmal Kaiser Maximilians I. zu beherbergen. Und was für ein Ding.
Ein haushoher Sarkophag inmitten des Kirchenschiffes, der alles überragte. So, als sei eine venezianische Punkgaleere kurz vorm Altar gestrandet. Die Sarkophaghülle von vierundzwanzig Tafeln weißen Tiroler Marmors umhüllt, in die Meister Colin aus Mechelen Szenen aus dem Leben des großen Max gemeißelt hatte: der Kriegsheld, der Türkenbezwinger, der Ehegewinnler, der Förderer der Künste und der Wissenschaft.
Dieses in Europa beispiellose Grabmal wurde von Figuren aus Maximilians weit verzweigter Familie umringt, oder solchen, die er dreist als seine Vorfahren vereinnahmte, wie etwa König Artus von England.
Eine imposante Trauergemeinschaft. In Bronze und übermannsgroß. Von Künstlern wie Albrecht Dürer entworfen und von den feinsten Gießern wie Gilg Sesselschreiber am Rand dessen, was mit Metall überhaupt möglich war, umgesetzt.
Vierzig „Schwarzmander“, wie die Innsbrucker diese Bronzestatuen nannten, hatte der große Max bestellt und entwerfen lassen, achtundzwanzig waren unter seinem Urenkel fertig gestellt. Mehr waren nicht mehr bezahlbar. Ihre Bronzehände geformt, um Fackeln zu halten. „Hielten sie besser Säcke mit Geld darin“, hatte Thomele gescherzt und von seinem Herrn einmal mehr eine Kopfnuss erhalten.
Doch selbst der hartgesottene Zwerg bekam Gänsehaut, wenn das Bronzegesicht Kaiser Maximilians bei nächtlichen Messen im Fackelschein erglühte. Merkwürdig von
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