Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
abgemacht.
Für die Festgäste war ich jedoch nicht mehr präsentabel. Nach Bärenzwinger riechend und von Todesangst durchgeschwitzt.
Philippine hatte eine zweite segensreiche Eingebung – nach dem Mohnsaft im Honigwasser der Bären.
Sie ließ ihre geheime Badestube aufsperren. Zu meiner Wiederherstellung. Auch die Vogelschnäblin solle man säubern und eine neue Garderobe für sie beschaffen. Zwar könne man in der Eile nur wenig Wasser erwärmen, aber zum gründlichen Waschen reiche es.
So kam es, dass ich in ein Vorzimmer gelangte, in dem man seine Kleider abzulegen hatte. Fresken zeigten Badende in liebevoller Umarmung und nackte Nymphen. Nicht umsonst hielt die Herrin von Ambras es verschlossen.
Im nächsten Zimmer befand sich eine mit Metall ausgeschlagene Wanne, deren Dimension raumfüllend waren. Derartiges hatte ich selbst in Prag noch nie gesehen. Es befand sich so viel Wasser in dem Riesenbad, beduftetes Wasser, dass ich, der Winzling, mich an einen eingelassenen Schemel klammerte, aus Angst zu ertrinken. Schwimmen hatte der Sohn einer Fischerin nie gelernt.
Plötzlich war die Bademagd, die meine Säuberung überwachte, verschwunden und die Vogelschnäblin erschien vor diesem Wannenungetüm. Kletterte die Einstiegsleiter hinunter.
Dabei sollte sie in meinem Wasser baden. Später. Im verwässerten Bärendreck, nicht ich in ihrem Ruß.
Die forsche Besucherin trug nur ein leichtes weißes Unterkleid. Es schwamm auf dem Wasser wie eine Apfelblüte. Auch ihre langen Haare schwammen obenauf. Rote Tentakel, die nach der weißen Blüte griffen. Dann versank diese Pracht. Mit mir.
Die Zwergennixe zog mich in Tiefen hinab, die ein Thomele noch nicht kannte. Dabei ist für einen Zwerg alles sehr hoch oder sehr tief.
An diesem 13. Juli 1570 jedenfalls wurde das Kind Thomele zum Mann.
Ich hatte meinen Tod überlebt, Betrüger entlarvt, Edelleute und Pfaffen zuhauf beleidigt, Rechte oder Unrechte belauscht, bestohlen, getäuscht und verprügelt. Einen Riesen attackiert, wilde Bären betört. Aber ein hinterlistiges, zorniges und verzogenes Kind ist so lange ein Kind, bis es die Liebe kennen lernt. Und deren Zerstörung.
Halbwegs gesäubert und reichlich verwirrt eilte ich zum nächsten Höhepunkt des Tages.
Da für die Vogelschnäblin aus der Hofburg immer noch kein neues Kleid bereitlag, wickelte sie ein goldbesticktes Tischtuch um sich. Verwegen, wie eine Toga.
Nun schritt die Festgesellschaft durch Ferdinands Kunst- und Wunderkammer. Er präsentierte Schätze von solcher Art, dass Neid manches edle Gesicht entstellte.
Doch was kümmerte mich sein Korallenkabinett – sein „rotes, schwarzes und weißes Meergemüs“, wie er die kostbare Sammlung beifällig nannte –, wenn die Halsbeuge der Vogelschnäblin von ihrem Schweiß zart glänzte?
Wen interessierten Kampfharnisch und Langschwert, die Karl V. beim Schmalkaldischen Krieg getragen, wenn ein Haar der Vogelschnäblin an ihren feuchten Lippen klebte?
Was war die goldene Brautschale der Margarete Maultasch, verziert mit Glückssymbolen, wenn alles Glück in einem Lächeln der Vogelschnäblin lag?
Was war ein geschnitzter Pokal aus Rhinozeroshorn gegen die Füße der Vogelschnäblin, ihre Zehen klein wie Rosinen?
Was kümmerte mich ein ausgestopftes Kalb mit zwei Köpfen, wo ich doch völlig kopflos war?
Was sollte ich mit einem vergoldeten Gondelautomat aus Venedig, dessen Mechanik einen Gondoliere Ruder schlagen und eine Hofdame Mandoline spielen ließ, wo ich meine vom Wasser nassen Finger noch auf den Brüsten der Vogelschnäblin spielen sah?
Sollte mich der Turban des mächtigen Sultan Suleimans beeindrucken, aus dreißig Ellen Stoffs gewickelt, wo eine Königin in einem Tischtuch vor mir stand?
Die smaragdgrüne Krone Montezumas, des letzten Aztekenkönigs – von Ferdinand aus der Vitrine geholt und der Vogelschnäblin aufgesetzt – war nur schön, da sie diese trug.
Mein Herr hatte von allem. Und er hatte von allem zu viel.
Ambras war auch ein unendlich trauriger Ort. Ungeheure Schätze hatte er angehäuft, wo so wenig genügt hätte, um die Frau seines Herzens glücklich zu machen.
In der Gemäldegalerie verharrte er vor einem Bild.
Es zeigte Giovanni Bona und mich: Ich, kleiner als des Riesen Hut und in der höfischen Tracht, die heute ruiniert worden war, er bildfüllend im rötlichen Gewand mit Pumphosen und modischen Schlitzen. Eine riesige Erdbeere mit einem viel zu kleinen Pflücker.
„Kann die Vogelschnäblin nicht bei
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