Die Wolkenkinder
Entsetzen, dass Emmerichs Schreckensherrschaft unterschwellig bereits begonnen hatte – allein, das er eben für einen Moment Angst gehabt hatte, Feuer zu machen ... Wehe wenn der Kerl seine Pläne umsetzen konnte!
Randolf saß bereits einige Minuten vor seinem Feuer, als Dietbert und Lothar kurz hintereinander ebenfalls auftauchten.
„Na Jungs! Auch wieder unter den Lebenden?“ begrüßte er seine müden Freunde.
„Geht so, Alter!“ gab Dietbert mit reichlich verknitterter Miene und auch noch nicht ganz munter von sich.
„Heute muss es klappen!“ forderte Randolf und stocherte dabei mit einem Stock im Feuer herum. „Heute müssen wir jemanden finden, der sich in der Kräuterheilkunde auskennt. Eines sag ich euch: Sowie ich die Möglichkeit habe, werde ich selbst die Kunst des Heilens erlernen, damit man sich und anderen helfen kann! Eine solch hilflose Situation wie diese, möchte ich so schnell nicht wieder erleben!“
Nach ausgiebigem Frühstück und einigen erfrischenden Händen klaren Bergwassers in ihren Gesichtern, machten sie sich erneut voller Hoffnung auf den Weg. Die ersten zweieinhalb Stunden passierte nicht viel: Sie kamen über saftige Wiesen, auf denen dichtgepolsterte Blütenteppiche zu bewundern waren, sie durchschlürften eiskalte Gebirgsbäche und passierten lichte Tannenwälder, bis sie in der Ferne, kaum merklich einen Schatten gegen die grau-weiße Bergwelt der Alpen ausmachen konnten. Ein Mensch oder ein Tier? Wenn ein Mensch, dann vielleicht ein einfacher, für sie nutzloser, Wanderer oder die ersehnte Kräutersammlerin?
„Wie ich merke, habt Ihr es auch schon gesehen!“ stellte Randolf fest, als er zurückblickte, um seine Freunde auf den unscheinbaren Schatten aufmerksam zu machen.
„Ja, gerade eben!“ gab Dietbert knapp von sich.
„Nichts wie hin!“ war Lothar schlagartig hell wach.
„Langsam, langsam!“ warnte Dietbert. „Denk an gestern Abend! Wir könnten in ein offenes Messer laufen! Für einen heruntergekommenen, versprengten Söldner wären wir ein gefundenes Fressen!“
„Sehr richtig!“ stimmte Randolf zu. „Aber es gibt trotzdem keine Zeit zu verlieren!“
„Also los!“ feuert Lothar die kleine Truppe an.
Sie näherten sich dem immer deutlicher werdenden Schatten durch hohes Gras, Wege gab’s hier schon lange nicht mehr. Offensichtlich ein Mensch, war ihre erste Feststellung. Einige Minuten später erkannten sie, dass der Mensch lange, wehende Kleidung trug: Eine Frau oder ein Mönch! Wieder etwas später machten ihre Herzen gleichzeitig einen Sprung, denn wieder und wieder bückte sich die Person und das konnte nur heißen: Ein Kräutersammler! Doch plötzlich kam der oder diejenige nicht mehr hoch! Wo war die heiß ersehnte Person geblieben? Was war geschehen? Die Jungs vergaßen alle Vorsicht, fingen erst strammer zu gehen an, wurden immer schneller und rannten schließlich im Schweinsgalopp über die satte Blumenwiese, die bis an den Fuß des nächsten, steil aufragenden Bergmassivs in der Ferne reichte.
Als sie die Stelle erreicht hatten, wo die Person verschwunden war und sich mehrfach ohne Erfolg in alle Richtungen nach ihr umgesehen hatten, war Randolf völlig verblüfft: Eine Sinnestäuschung oder gar ein Gespenst? In den Bergen sollte es ja so manch unheimliches Volk geben!
„Verdammt! Wo ist die Kräutersammlerin geblieben? Das gibt es doch gar nicht!“
Lothar versuchte die Sache logisch anzugehen: „An Gespenster glaube ich nicht! Die Person war real! Eine Luftspiegelung kommt ebenfalls nicht in Frage, dafür haben wir sie beim Näherkommen zu lang gesehen. Also: Was kann geschehen sein? Die Person ist in eine Gebirgsspalte gestürzt, die hier schon mal vorkommen kann - Nein, glaub ich auch nicht, da hätte man einen Schrei gehört. Also gibt es nur eine Erklärung: Die Person hat Angst bekommen und versteckt sich jetzt vor uns!“
„Genau!“ war Randolf froh des Rätsels Lösung zu haben.
„Also gut!“ knurrte Dietbert, dem das Spielchen auf die Nerven ging. „Komm schon raus, bevor ich ärgerlich werde!“
„So klappt das bestimmt nicht!“ wies ihn Lothar zurecht. „Wegen solcher Drohungen hat sich die Person ja eben gerade versteckt!“
Dietbert verschränkte verärgert die Arme: „Dann mach’s halt besser! Aber mach’s! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“
„Na gut“, fing Lothar an. „Wir wissen, dass du da
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