Die Wolkenkinder
zwangsläufig entdecken! Die Jungs hielten den Atem an, für eine Flucht war es nun zu spät. Mit etwas Glück würde man sie übersehen: Der Wald war stockfinster und einer, der eben noch vom Feuerschein geblendet worden war, müsste schon direkt über sie fallen, um sie zu entdecken. Seit mehreren Sekunden verharrte der Mann nun schon am gleichen Fleck und offensichtlich tat er das gleiche, was die Jungs auch schon getan hatten: Er nestelte an seiner Kleidung, offensichtlich um ein Messer zu ziehen. Dietbert machte sich gerade zum Sprung bereit, als er es sachte plätschern hörte: Der Mann schlug sein Wasser ab. Gott sei Dank stand er weit genug weg, denn hätte er ihnen versehentlich auf den Kopf gepisst, man hätte es wohl oder übel hinnehmen müssen.
Inzwischen war Emmerich anscheinend auf dem Höhepunkt seiner lächerlichen Darbietungen angelangt - zweifelhaft war nur, was die unter Drogen stehenden „Kinder der Nacht“ noch davon mitbekamen. Während diese, offensichtlich vollkommen weggetreten, im Rhythmus einer riesigen Pauke, schwankten und schon mehrere von ihnen sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten, packte Emmerich eine halb verweste Katze aus und hielt sie demonstrativ in die Luft - sein „Volk“ jubelte. Klar, was er damit vorhatte: Er warf sie theatralisch ins Feuer und lies sich erneut feiern. Jetzt war der Lärmpegel dermaßen hoch und außer Emmerich waren alle ziemlich weggetreten, dass Dietbert die Chance für gekommen sah mit seinen Kumpels abzuhauen: „Auf geht’s!“ gab er vor und sprang als erster aus seinem Versteck, um sein Heil in der Flucht zu suchen; die anderen taten es ihm augenblicklich gleich. Leider hatte Emmerich gerade diese Ecke im Visier und sah verblüfft die davon springenden Schatten im Wald verschwinden.
„Da! Spione! Schnappt sie euch!“ brüllte er wie von Sinnen mit gellend heller Stimme.
Die Jungs wussten jetzt natürlich ganz genau was ihnen blühen würde, wenn sie geschnappt werden würden und die Angst verlieh ihnen Flügel. Ihre drogenbenebelten Verfolger blieben wild übereinanderfallend schon im Ansatz der geplanten Hatz stecken. Emmerich stand fassungslos hinter seiner im Feuer verkokelnden und erbärmlich stinkenden Katze und machte das blödeste Gesicht, das man sich nur vorstellen konnte und knurrte völlig baff: „Schöne Scheiße!“
Erst als Randolf und seine Freunde eine gute Viertelstunde ohne Unterlass gerannt waren, ließen sie im Tempo nach, um schließlich ganz anzuhalten.
„Knappe Sache!“ hustete Dietbert.
„Kann man wohl sagen!“ keuchte Lothar mit letzter Kraft, sich an einen Baum stützend.
„Was meint ihr“, überlegte Randolf, „ob er uns wohl erkannt hat?“
„Unmöglich!“ war sich Dietbert vollkommen sicher. „Es war viel zu dunkel!“
„Und nun?“ fragte Lothar.
„Was wohl?“ antwortete Dietbert. „Wir ziehen uns in unser Lager zurück, nehmen eine Mütze Schlaf und morgen geht die Suche weiter.“
Am nächsten Morgen erwartete sie ein freundlicher Tag. Die Sonne stand bereits deutlich über den Bergen, als Randolf als erster unter seiner neuen Decke hervorkroch, die er kürzlich bei einem Händler gegen zwei Salzkegel getauscht hatte. Er streckte sich kräftig, atmete die frisch-kühle Bergluft tief ein und schüttelte in Erinnerung an die gestrige Nacht ungläubig den Kopf. Wie, so dachte er, kann man dem Treiben dieses Emmerichs ein Ende setzen. Wenn der auch noch an die Gelder herankommt, die die Salzkuhlen abwerfen... An die Macht wollte er, hatte er gesagt, den Grafen stürzen! Vielleicht noch mehr? Es schien gerade so, als ob dieser Mensch sich ein Vorbild an dem berühmten Wallenstein genommen hätte, der ja auch aus dem Nichts heraus zum heimlichen Herrscher im Staate aufgestiegen war. Nun gut, daran konnte Randolf sich im Augenblick nicht festbeißen, zu aller erst galt es eine Kräuterfrau zu finden, die den Erkrankten zu Hilfe eilen konnte - das war jetzt die vorrangige Aufgabe und sonst nichts!
Randolf überlegte, ob es gefährlich sein konnte, das Feuer wieder zu entfachen, beschloss dann aber, dass, selbst wenn Emmerich und seine Spießgesellen hier auftauchen würden, sie noch lange nicht als die Spione von gestern Nacht überführt wären.
Beim Sammeln von dünnen Ästchen für die erste Glut ging ihm aber partout die Sache von gestern Nacht nicht mehr aus dem Kopf und plötzlich erkannte er mit
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