Die Wolkenkinder
eben „Euch“ oder „euch“ gesagt? Hatte sie also alle oder speziell ihn gemeint?“
Kurz nachdem die gräfliche Familie den Raum verlassen hatte tauchte ein überkandidelter Mensch auf, der sich als der gräfliche Schneidermeister herausstellte: „Mon Dieu!“ war er schier entsetzt. „So seid Ihr vor den Grafen getreten! Quelle Courage!“
„ Wieso?“ protestierte Dietbert. „Ist doch alles ganz neu und tadellos sauber und riechen tut’s auch kein bisschen!“
„ Ja aber, mon petit ..., diese Farben ..., diese Stoffe ... - der unmögliche Schnitt! Ich bin entsetzt! Wer hat euch das nur angetan, ihr Armen!“
Gut eine Stunde später hatte sich der Hofschneider wieder beruhigt, denn es war ihm gelungen, zusammen mit einigen Helfern und jeder Menge schrillen Gezeters, die Jungs in gestreifte Beinlinge, rüschenbesetzte Hemden, schulterwattierte, kurze Jacken und Taftschuhe mit Schleifen zu zwingen. Bei den verschiedenfarbigen Perücken streikten die jungen Helden dann allerdings standhaft, sodass man ihre natürliche Haarpracht zu Locken drehen ließ.
So ausstaffiert und etwas parfümiert geleitete man sie in die hinter dem Schloss liegende Wandelanlage, ein von lichtdurchfluteten Arkaden umgebener Garten mit einem kunstvoll gestaltetem Marmorbrunnen in seiner Mitte. In den Nischen hatte man Vogelvolieren eingelassen, in denen sich die exotischsten Papageien, aber auch Fasane, Rebhühner, Kanarien oder einheimische Singvögel tummelten. In anderen Nischen wiederum waren schwungvoll geschmiedete Ruhebänke installiert. Die neuen Schönlinge, die sich in ihrer Maskerade noch ziemlich komisch fanden, verzogen sich in eine dieser Sitzecken.
„ Schon komisch, was hier mit uns geschieht!“ fing Dietbert ein Gespräch an.
„ Muss ich auch sagen!“ stimmte Lothar zu. „Und alles anscheinend wegen dir, Randolf!“
„ Kann ich mir auch nicht erklären! Ich dachte die würden das alles wegen dir machen, weil sie vielleicht deine Familie kannten. Ihr ward ja schließlich auch adlig!“
„ Du wirst lachen“, sagte Lothar, „dass dachte ich zunächst auch, aber mich haben die ja überhaupt nicht beachtet. Die waren eindeutig nur an dir interessiert!“
„ Die , würde ich nicht sagen“; wiedersprach Dietbert, „Ich meine gesehen zu haben, dass vor allem die Gräfin an dir Interesse hatte. Kannst du dir das erklären?“
„ Nö! Da bin ich selber überrascht!“
„ Könnte das was mit deiner Vergangenheit zu tun haben?“ fragte Lothar. „Ich meine, du weißt es ja selber: Mit deinen blonden Locken, deinen stahlblauen Augen, deinen feinen Gesichtszügen und deinem athletischem Körperbau siehst du für diese Gegend ziemlich fremd aus – du bist keiner von dem eher robust gebauten Menschenschlag hier!“
„ Ich weiß! Aber was hat mein Aussehen mit diesem Hof zu tun? So wie ich aussehe, bin ich ja wohl kaum mit der Grafenfamilie verwand!“
„ Auf den ersten Blick nicht“, gab ihm Dietbert Recht. „Aber vielleicht ja doch!“
„ Mach dich nicht lächerlich! Wie soll das denn gehen? Es muss etwas anderes sein! Aber vielleicht bekomme ich so wenigstens etwas über meine Abstammung heraus. Wer weiß?“
„ Schade, dass du deinen Beutel mit deinem Besitz nicht dabei hast“, bedauert Dietbert, „das könnte helfen!“
Randolf grinste, zog erst seine Perlmutt-Gemme und dann das halbe Amulett aus der Tasche.
„ Das ist ja ...!“ war Dietbert verblüfft. „Wann und wo ... ?“
„ Ich bin doch nicht blöd!“ grinste Randolf. „Jetzt, wo uns der Bauer freien Ausgang gewährt und ich wusste, dass wir heute hier sein würden, habe ich mir gestern noch vor dem Waschen mein Zeug wieder geholt. Wenn man so einfach aus dem Tor schlendern und zum Wald gehen kann, ist das ein Kinderspiel; in zehn Minuten hatte ich die Stelle erreicht!“
„Stimmt!“ gab Dietbert zu. „Ich habe dich sogar noch vom Hof gehen sehen, kümmerte mich aber nicht weiter und dachte, dass du vielleicht mal alleine sein willst.“
„ Schön und gut“, übernahm Lothar das Wort, „aber wie willst du jetzt weiter vorgehen? Willst du die Gräfin einfach ansprechen, oder was?“
„ Weiß ich auch noch nicht. Ich denke, dass ich vielleicht über die junge Comtesse weiterkomme ...“
„ Ach so“, machte sich Dietbert lustig, wobei er mit besonders spitzem Mund sprach. „Du möchtest nur mit ihr
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