Die Wolkenkinder
viele Jahre hinweg, abgenommen hatte. Er trug diese knautschigen Stiefel, den Brustschutz aus dickem Leder, die eisenbesetzten Handschuhe oder auch seinen Federhut als Trophäen, von denen er genau wusste, bei welcher Gelegenheit er sie erlangt hatte und wen er dafür hatte erschlagen müssen.
Wie befohlen nahmen Randolf und seine Freunde, wie die anderen vierzehn Mann, die über eineinhalb Meter langen Feuerwaffen aus der im Boden steckenden Gabel, stellten sie auf ihre Kolben und befüllten sie mit ihrem Pulverhorn aufs Neue. Mit ihrem langen Eisenstab und unter Zuhilfenahme von etwas Filz wurde die Pulverladung von der Mündung aus festgestopft, anschließend ließ man eine Kugel ins Rohr der Waffe kullern und ebenfalls mit etwas Filz nachgestopft.
„ Die Waffen auf die Gabel setzen! Zielen! Und Feuer!“ war der Oberst wieder streng zu hören. „So, jetzt sehen wir uns eure Treffer in den Strohsäcken an und dann sieht jeder zu, dass er seine Kugeln wieder findet, sodass man sie neu eingießen kann.
Nach Besichtigung der Treffer bekam Dietbert ein besonderes Lob für seine hervorragende Schussleistung, obwohl der Oberst wusste, dass Dietbert früher im Tross von Wallenstein gekämpft hatte - der Konkurrenztruppe Tillys in der er selbst gedient hatte. Aber immerhin, dachte Gottfried beruhigt, wenigstens war er für die Katholische Liga unterwegs gewesen.
„ Schluss jetzt mit den Schussübungen, das wird zu teuer und belastet die Rohre unnötig – zum Schluss sind sie dann noch unbrauchbar, wenn’s ernst wird. Waffen in der Rüstkammer abgeben und mit Streitäxten im Schlosshof erscheinen! Und zwar ein bisschen flott, meine Herren!“
In der Art ging das noch den ganzen Nachmittag unter glühender Sonne weiter, bis Gottfried am frühen Abend Erbarmen zeigte: „Schluss für Heute, Männer! Waffen abgeben, waschen und ins Lager! Ich will beim Rückzug in die Lager keinen Ton hören, sonst gibt’s verschärften Arrest!“
Randolf und seine Freunde waren ziemlich geschafft und ließen sich nach einer Erfrischung am Brunnen, wie nasse Säcke, in die Betten plumpsen.
„Ganz schön anstrengend, dieser Gottfried!“ maulte Lothar, dessen schmächtiger Körper unter dem erbarmungslosen Drill am meisten gelitten hatte. „Ich freue mich aber schon auf morgen, da geht’s zum Pastor! Mal sehen, was der Schwarzkittel so drauf hat.“
„Kann ich gar nicht mitreden.“ hatte Dietbert, der heute einen großen Tag gehabt hatte, etwas Bammel. „Ich kann kaum lesen und schreiben! Hoffentlich blamiere ich mich nicht bis auf die Knochen!“
„Bekommen wir schon hin!“ beruhigte ihn Randolf. „Außer uns und Amelie sind nur noch vier weitere Schüler von wichtigen Familien der Stadt dabei, das heißt: Wir stellen die Hälfte der Klasse! Jeder weiß auch, dass du lange im Krieg warst, da macht dir keiner einen Vorwurf.“
„Du hast leicht reden! Ich bin es nicht gewohnt, der Depp zu sein!“
„Von wegen leicht reden!“ lachte Randolf schräg auf. „Du weißt genau, dass ich auch nur so ein bisschen Lesen von Lothar gelernt habe – so doll ist das auch nicht!“
„Wie bitte!“ entrüstete sich Lothar, der auf seiner Pritsche liegend gerade seine schmerzenden Glieder massierte. „Ich habe mir über ein Jahr mit dir alle Mühe gegeben und jetzt das ...“
„Entschuldige, Lothar! So war das nicht gemeint! Aber morgen wird Amelie da sein und ...“
„Ach so!“ grinste Lothar und rieb sich dabei, halb verrenkt, die schmerzenden Unterschenkel. „Verstehe! Da willst du natürlich den Dicken machen! Wird dir aber wahrscheinlich nicht gelingen, mein Freund. Die Kleine ist ziemlich gewitzt! Die packt dich glatt ein! Und außerdem rennt die schon über zwei Jahre zum Pastor. Das ist natürlich schlecht für einen wie dich, der vor seiner Liebsten strahlen möchte.“
Randolf schaute verärgert zu Lothar, hatte dieser Schuft ihn doch zur Gänze durchblickt. Was konnte man denn da noch groß erwidern?
„Weißt du Lothar“, überkam es den Gekränkten, „du kannst ganz schön nerven, mit deiner frotzelnden Art! Ich finde es gar nicht angemessen, wenn ein Kumpel ...“
„Randolf!“ grinste Dietbert. „Lass dich doch nicht hochnehmen! Lothar ist wahrscheinlich nur neidisch, weil er selbst nicht bei der kleinen Maus gelandet ist. Was Lothar?“
Lothar enthielt sich weiterer Kommentare und winkte nur, ebenfalls breit
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