Die Wolkenkinder
schon erlaubt hast, mich persönlich anzusprechen, muss ich es ja nicht mehr tun. Du kannst mich Amelie nennen, solange sonst niemand in unserer Nähe ist, ansonsten musst du auf die Etikette achten!“
Randolf schaute ihr zum ersten Mal bewusst direkt ins wunderschöne Antlitz, fühlte sich auch kaum noch unsicher und erwiderte frech grinsend: „Gut! Dann kann ich dir ja ebenfalls meinen Vornamen als Anrede anbieten! Soweit ich weiß, kennst du ihn ja bereits.“
„ Ganz schön keck, unser junger Mann hier!“ lachte Amelie. „Wenn das mal bloß mein Vater nicht mitbekommt ...“
„ Ganz schön streng, der Herr Graf, was?“
„ I wo! Er will nur das Beste für mich und achtet sehr auf meinen Umgang!“
„ Dann kann ja nichts passieren!“ wurde Randolf jetzt immer frecher. „Wenn er nur das Beste für dich will, wird er mit mir wahrscheinlich sehr zufrieden sein!“
„ Ich sag’s ja: Ganz schön Keck, der junge Mann!“ lachte Amelie erneut und hielt Randolf den Arm zum Gehen hin.
Viertes Kapitel
Der Graf hatte entschieden! Die Jungs sollten als Knappen am Schloss bleiben, dafür würden sie sogar entlohnt werden und hätten außerhalb der Dienstzeiten zudem freien Ausgang. Darüber hinaus sollten sie am Unterricht durch den Herrn Pastor teilnehmen, der seit einiger Zeit auch schon Amelie unterrichtete.
Emmerich war indes mit seinem Leiterwagen wieder abgezogen, fühlte sich aber als heimlicher Sieger; hatte er doch die Bekanntschaft einer jungen gräflichen Magd gemacht, die er, wenn die Zeit gekommen sein würde, zu ehelichen gedachte; darüber hinaus kam er mit der Nachricht nach Hause, dass der Herr Papa ab sofort zum Hofmarkherr erhoben worden war, ein Amt, das später ihm zufallen würde. Was für ein Erfolg! Er würde so zum niederen Adel gehören, würde durch die Salzkuhlen über entsprechende Gelder verfügen und obendrein eine hübsche Maid abbekommen, die ihm das adlige Leben erklären konnte, sodass er richtig bei den Wichtigen des Landes mitmischen konnte, ohne als tumber Bauer aufzufallen. Und wer weiß, vielleicht war das erst der Anfang, jedenfalls wäre er in der Lage für entsprechende weitere Privilegien gut zu bezahlen. Schließlich wusste jeder, dass weltliche oder kirchliche Ämter nur über Bares zu erlangen waren.
Das Einzige, was Vater ärgern wird, dachte Emmerich, dass er die Mündel als billige Arbeitskräfte verloren hatte, aber selbst das war für Emmerich in gewisser Weise ein Erfolg, denn er brauchte die frechen Satansbraten bestimmt nicht. Sollten die doch Steigbügelhalter am Schloss werden, darauf war er garantiert nicht neidisch – für ihn stand eine viel höhere Laufbahn in Aussicht!
„Die Arschbacken zusammen! Ellebogen an die Flanken gedrückt! Zielt! Und Feuer!“ brüllte Gottfried, der alte Büchsenmeister über das Stoppelfeld, sodass sein großartiger, schlohweißer Schnurrbart mächtig auf und ab schwang.
Der Graf unterhielt seit einiger Zeit eine kleine Landsknechttruppe, zu deren obersten Waffenmeister er Gottfried gemacht hatte, einen der sagenhaften Unsterblichen. Einen sage und schreibe zweiundfünfzig Jahre alten Veteranen der Tilly-Truppen, der jetzt am Schloss den Rang eines Oberst beanspruchen durfte.
Der ganze Stolz der Schlossbesatzung waren die neuen Steinschloss-Flinten, die nicht mehr umständlich mit glimmenden Lunten abgefeuert werden mussten. Trotzdem war die Bedienung einer solchen acht Kilogramm schweren Waffe immer noch eine Wissenschaft für sich. Gottfried konnte zwar nicht lesen, besaß aber nichts desto trotz ein Kriegshandbuch in dem alleine einhundertdreiundvierzig Handgriffe beschrieben wurden, die ein Musketier zu beherrschen hatte – zu seinem großen Glück waren die wichtigsten Anweisungen mit Zeichnungen unterlegt, weil die Verfasser natürlich wussten, dass fast nur der Klerus und der Adel des Lesens mächtig waren.
„ Absetzen! Neu laden!“ befahl der martialisch aussehende und von Narben übersäte, alte Kriegsmann. Bei seiner Arbeit verstand er keinen Spaß und verlangte absoluten Gehorsam. Traf man ihn bei Gelegenheit auf dem Hof, war er ein ganz anderer Mensch: umgänglich, fast väterlich. Aber egal wo man ihn traf und welcher Laune er auch immer war, ohne seine bunte Phantasie-Uniform sah man ihn nie!
Diese kunterbunte Uniform war zusammengestellt aus vielen Einzelstücken, die er seinen Gegnern - ob lebend oder tot - über
Weitere Kostenlose Bücher