Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
erholt, und nach einer Woche ohne Aktivität zerrten die Sorge um Frans und das Rätsel um Wilhelm an ihren Nerven.
Sie beobachtete, wie die Mädchen auf ihren Pferden im Sonnenschein galoppierten, und hoffte, dass das Wetter sich halten würde. Morgen würde sie nach Fleckham fliegen und sich selbst um die notwendigen Vorkehrungen kümmern. Schließlich war Frans letztlich und endlich auch
ein Fleckham. Von daher hatte er ein Anrecht auf die Bequemlichkeiten des Familiensitzes.
Am nächsten Tag glitzerte der frostige weiße Schnee unter einem strahlend blauen Himmel. Die Akademie wirkte festlich, und tatsächlich standen schon bald die Ferien zu Erdlin bevor, in denen die Mädchen und die Pferdemeisterinnen nach Hause reisten. Philippa hatte lange nichts von Mersin gehört. Sie spähte blinzelnd zu den schneebedeckten Bergen hinauf und sagte sich, dass sicher bald die übliche Einladung nach Inseehl eintraf, auch wenn sie sich ihrem Bruder widersetzt hatte. Sie würde ihnen wohl einen kurzen Besuch abstatten müssen, doch die Vorstellung, die ganzen zehn Tage bei ihrer Familie zu verbringen, langweilte sie.
Heute würde sie jedenfalls fliegen. Es war lange her, und sie und Soni waren beide unruhig und freuten sich auf ein bisschen Aktivität.
Margret hatte sie gebeten, Larkyn mit in die Luft zu nehmen. »Sie muss wieder einmal bestraft werden«, erklärte sie trocken. »Nennen wir es eine Übungsstunde mit einer erfahrenen Lehrerin, die dazu dienen soll, ihren Umgang mit dem Flugsattel zu verbessern.«
Philippa schnaubte. »Margret, Larkyn wird einen Flug mit mir und Soni nach Fleckham wohl kaum als Bestrafung empfinden.«
Margret lächelte, und die Haut um ihre blassblauen Augen legte sich in zahlreiche Fältchen. Sie strich den Reiterknoten mit dem weißen Haar glatt und legte die linke Hand auf die geprägte Genealogie auf ihrem Schreibtisch. »Ich musste sie bestrafen, weil sie ihre Klasse verlassen hat. Doch dadurch hat sie einem Oc-Hund das Leben gerettet,
und ich habe deshalb darauf geachtet, dass ihre Strafe nicht zu hart ist. Natürlich brauchen wir Regeln und Normen, aber jedes Mädchen in ihrer Klasse hat verstanden, was passiert ist. Hester Beeht kam von der Landekoppel hereingerast, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her, und hat mich gebeten, die Kutsche ihrer Mamá nehmen zu dürfen, um Beeres Leben zu retten.«
»Hast du irgendeine Idee, was mit dem armen Hund passiert ist?«
Margrets Lächeln verschwand, und sie stützte sich auf den Händen ab. »Ich kann nur Vermutungen anstellen«, sagte sie in vertraulichem Ton. »Aber ich habe mir mein ganzes Leben noch nie solche Sorgen um die Zukunft von Oc gemacht. Sei nur vorsichtig, wenn du dem Fürsten das nächste Mal begegnest. Ich fürchte, er ist jetzt noch gefährlicher als jemals zuvor. Und so gut wie unberechenbar.«
»Ich weiß, Margret. Aber ich werde ihm heute nicht begegnen. Seit seiner Inthronisation lebt er nicht mehr in Fleckham, und außerdem heißt es, er sei verreist.« Sie verabschiedete sich von Margret, stieg noch einmal die Treppe hinauf, um nach Frans zu sehen, und zog auf dem Weg zur Flugkoppel Kappe und Handschuhe über.
Erna brachte Soni heraus, die von dem herrlichen Wetter beflügelt herumtänzelte und schnaubte. »Soni, du benimmst dich wie eine Zweijährige«, schalt Philippa, als die Stute zur Seite trippelte und den Kopf hochwarf.
Lark erschien mit Schwarzer Seraph am Zügel. Der kleine Hengst wieherte Soni zu und stolzierte mit gebogenem Schweif in die Flugkoppel. Philippa unterdrückte ein Lächeln, als die beiden zu ihr hinüberkamen. Lark ging so leichtfüßig, dass sie beinahe hüpfte. Ihre Wangen hatten sich aus Vorfreude auf den Flug rosa gefärbt, und ihre Locken
glänzten in der Sonne wie schwarzes Glas. Ganz gewiss machte sie nicht den Eindruck, als täte sie wegen der wiederholten Übertretung der Akademieordnung Buße.
Lark kniete sich neben Beere und fuhr behutsam mit den Fingern über den Hals des Oc-Hunds. »Es ist fast verheilt, Meisterin. Er wird sicher eine Narbe zurückbehalten, doch die wird von seinem Fell verdeckt. Ich glaube, in ein paar Tagen ist er wieder ganz der Alte.«
»Das freut mich«, erwiderte Philippa. Sie streichelte Beere noch einmal. »Ich habe ihn gern.«
»Ja, er ist ein guter Junge.« Lark stand auf und schnippte mit den Fingern. »Lauf jetzt, Beere. Geh zurück ins Warme.«
Philippa fühlte einen Kloß im Hals, als sie sah, wie sich der Oc-Hund steifbeinig erhob.
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