Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
dem geschwungenen seidigen Schweif war er so wunderschön, dass Lark kaum glauben konnte, dass er es wirklich war. Die Luft war erfüllt vom Duft des Wiesenlieschgrases und der Luzernen, und Lark konnte es kaum erwarten, an Estian die hochgewachsenen Blutrüben auf den Feldern rund um den Unteren Hof zu sehen und das Schilf zu riechen, das in der Sonne golden schimmerte.
Doch irgendetwas stimmte nicht.
Das ganze Frühjahr hindurch waren die Lehrerinnen mit finsteren Mienen herumgelaufen. Sie wirkten angespannt und gereizt, und die Mädchen fingen an, den Pferdemeisterinnen möglichst aus dem Weg zu gehen, versteckten
sich in den Stallungen vor ihnen und drückten sich in der Halle in die Ecken, damit sie die mürrischen Frauen nicht grüßen mussten.
»Vielleicht sind alle wütend, weil Meisterin Winter nicht zur Leiterin ernannt wurde«, raunte Lark Hester zu. Sie standen in Goldies Stall und reparierten die Halterung des Wassereimers. Am nächsten Tag würden sie in die Estian-Ferien aufbrechen und versuchten daher, alle Aufgaben noch zu erledigen. Im Augenblick konnte man sich zu leicht Schelte einfangen.
Hester schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.« Sie sprach leise, wie sie es sich alle angewöhnt hatten. »Jeder mag Meisterin Stern.«
»Was ist es dann?«, erkundigte sich Lark. »Ich habe gestern beim Abendessen den Tisch der Pferdemeisterinnen beobachtet. Keine der Frauen dort hat auch nur ein Wort gesagt! Es war, als säße mein Bruder Edmar dort.«
»Ist Edmar so wortkarg?«
»Ja. Obwohl Broh sagt, dass er mit Pamella und ihrem kleinen Jungen spricht.«
Hester schlug den letzten Nagel ein, und Lark hob den Wassereimer hoch, um ihre Arbeit einem Test zu unterziehen. Die Halterung hielt, und sie verließen die Stallungen, um zur Halle hinüberzugehen, wo eine Versammlung einberufen worden war. Die Pferde standen auf der Jährlingsweide. Sie trugen ihre Flügelhalter, aber Decken brauchten sie nicht mehr. Die Palominos, die Kastanienbrauen, Schwarzen und Grauen knabberten munter an dem grünen Sommergras. Tup spürte Larks Blick, hob den Kopf und wieherte ihr zu, als sie an ihm vorüberging.
»Schwarz, sieh dir nur das Gesicht unserer Leiterin an«, sagte Hester.
Lark folgte ihrem Blick und entdeckte Leiterin Stern, die im Eingang stand und den Mädchen zunickte. Es schien, als wäre sie in den paar Wochen, die sie als Leiterin diente, um zehn Jahre gealtert. Heute waren die kummervollen Linien um ihre Augen und den Mund herum ganz besonders deutlich zu sehen. »Ich glaube, dass wir jetzt endlich erfahren werden, was alle die ganze Zeit über beschäftigt hat«, sagte sie mit einem unguten Gefühl.
Die Mädchen standen hinter ihren üblichen Plätzen entlang der Tische im Speisesaal, und die Lehrerinnen hatten auf dem Podium Aufstellung genommen. Nur der Platz von Meisterin Winter war leer. Lark blickte sich um, sah sie jedoch weder durch die Tür kommen noch irgendwo anders stehen.
Leiterin Stern sprach einige Minuten lang. Ihre Stimme klang gepresst und dünn. Die anderen Pferdemeisterinnen schwiegen angespannt und blickten nach unten. Es war klar, dass sie bereits wussten, was Meisterin Stern ihnen mitteilen würde.
Bei ihrer Bekanntmachung schnappten die Mädchen nach Luft. Einige brachen in Tränen aus und klammerten sich aneinander. Andere murmelten leise miteinander. Hester brummte: »Das hätte Mamá mir sagen müssen.« Amelia starrte wie die Pferdemeisterinnen auf ihre Stiefelspitzen.
Lark wirbelte herum und rannte aus dem Saal.
Es war den Mädchen nicht gestattet, das Wohnhaus ohne Einladung zu betreten, doch Lark schenkte dieser Regelung keine Beachtung. Sie rauschte durch die Eingangstür, ließ sie hinter sich zuknallen, stürmte die Treppen hinauf und klopfte an die Tür zu Meisterin Winters Wohnung. Als sie keine Antwort erhielt, klopfte sie wieder
und wieder, bis sie schließlich ein mattes »Schon gut, schon gut. Sie können mit der Klopferei aufhören. Ich komme!« vernahm.
Meisterin Winter öffnete die Tür und stand steif und mit angespanntem Gesicht vor ihr. »Wieso haben Sie es mir nicht erzählt? Was werden Sie tun?«, platzte Lark heraus.
»Larkyn. Wovon reden Sie?«
»Meisterin Stern sagt … sie hat uns erzählt…, dass Sie entlassen worden sind und dass Soni … Es ist zu schrecklich. Das können Sie doch nicht zulassen!« Tränen stiegen ihr in die Augen und trübten ihren Blick, als Meisterin Winter ihr eine Hand auf die Schulter legte, sie in ihre
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