Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
keine Ahnung.« Er hob eine Hand, und mit tränenerstickter Stimme sagte er: »Ich darf nicht weiter mit Ihnen sprechen, Meisterin. Es tut mir leid, wirklich. Vergessen Sie nicht, Estian. Sie haben Zeit bis Estian.«
Baron Beeht und Graf Clattam kämpften derweil zusammen mit Graf Tagschmidt heftig gegen jene Edlen, die sich mit Wilhelm im Rat verbündet hatten. Susanna und Kathryn und die anderen Lehrerinnen reichten einen Antrag im Rat ein, jedoch ohne Erfolg. Sie schickten Eingaben an Fürst Wilhelm, die er mit Drohungen erwiderte. Sie schrieben Bittbriefe an ihre Familien und erhielten nur ausweichende, ängstliche Antworten. Schließlich gebot Philippa an einem warmen Frühlingsabend dem Ganzen Einhalt.
Sie bat alle Pferdemeisterinnen der Akademie, die älteren genauso wie die neuen Lehrerinnen, in den Lesesaal des Wohnhauses zu kommen. Sie wartete neben dem Fenster auf sie, und nachdem sich alle gesetzt hatten, blickte sie einer nach der anderen ins Gesicht, diesen treuen Frauen, die sich dem Fürstentum und der Akademie verschrieben hatten.
»Ich danke denen unter euch, den zahlreichen unter euch, die sich für mich und Soni eingesetzt haben. Es gibt nichts mehr, was noch getan werden könnte.«
Einige Frauen protestierten, doch sie schüttelte den Kopf und kam ihnen zuvor. »Ich habe mir das selbst zuzuschreiben«, sagte sie. »Ich habe Wilhelms Einfluss unterschätzt. Fürst Friedrich hat mir beigebracht, dass die Macht des Rates der Edlen der seinen gleich wäre, und ich habe nicht begriffen, wie schnell sich das geändert hat.«
Sarah, eine der jüngeren Lehrerinnen, sagte: »Wir behalten dich hier, Philippa! Wir lassen nicht zu, dass er dich uns wegnimmt …« Ihre Stimme brach, und sie begann zu schluchzen.
»Sarah, du musst an Windpfeil denken. Genau wie Kathryn an Himmelstänzer und Susanna an Sternschnuppe. Unsere Existenz hängt im Augenblick ausschließlich vom
Wohlwollen des Fürsten ab. Die Blutlinien sind bereits in Gefahr, und wenn sich die gesamte Akademie gegen ihn stellt, fürchte ich, dass der Schaden nicht wiedergutzumachen ist.«
Susanna, die zur neuen Leiterin ernannt worden war, sagte: »Seit dem Tod des alten Fürsten hat sich alles geändert.«
»Du wirst Wintersonne doch nicht abgeben?«, flehte Sarah. »Das kannst du doch nicht tun!«
»Welche Wahl habe ich denn?«
»Nachdem du im Wildland dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, nachdem du geholfen hast, diese Kinder zu retten …«
»Das macht keinen Unterschied, Sarah. Fürst Wilhelm ist kein gnädiger Mann.«
»Vielleicht kannst du Prinz Frans zu Hilfe rufen …?«
Philippa lehnte sich gegen das Fensterkreuz und blickte hinaus in die Dämmerung. »Prinz Frans ist sehr krank. Ich bin nicht einmal sicher, ob er überhaupt eine solche Reise antreten könnte. Und außerdem … habe ich auch Angst um ihn. Der Fürst hat ihn angegriffen. Er hat seinen eigenen Bruder mit der Gerte geschlagen, als Frans krank und hilflos war. Der Rat erkennt es nicht, aber der Fürst ist nicht mehr bei Verstand. Er hat sogar …« Sie machte eine hilflose Geste. »Er hat sich verändert, ist ein zerrissener Mensch, und das hat ihm den Verstand geraubt.«
Sie richtete sich auf und blickte die Frauen an. »Das Wichtigste ist, dass die geflügelten Pferde beschützt werden. Was mit mir geschieht, ist dagegen unwichtig. Denkt daran. Ich bleibe bis Estian bei euch. Dann müssen wir uns ins Unvermeidliche fügen.«
Sarah drückte ein Taschentuch auf ihre Augen und flüsterte. »Ich würde lieber sterben.«
Philippa konnte dem nicht widersprechen. »Grämt euch
nicht, meine Freundinnen«, sagte sie nur. »Bitte. Diese schwere Zeit wird vorübergehen, und so lange müsst ihr durchhalten.«
»Die Schülerinnen ahnen bereits etwas«, erklärte Susanna.
»Sagt ihnen nichts«, erwiderte Philippa mit tonloser Stimme und wandte den Blick wieder zum Fenster. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie mich so ansehen würden wie ihr alle.«
Der Frühling ging in den Sommer über. Aus Knospen wurden Blüten. Die Küken der Goldammer erprobten ihre Flügel, und die Pferde glänzten seidig, nachdem sie beim Bürsten und Striegeln das letzte Winterfell verloren hatten. Amelias Fohlen öffnete die Flügel und tollte auf der Jährlingskoppel herum, während ihre Reiterin voller Stolz zusah.
Tup hatte seine endgültige Größe von dreizehn Handbreit erreicht. Er war zwar relativ klein, doch mit seinen langen schmalen Flügeln, dem fein geschnittenen Kopf und
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