Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
Philippa Winter: »Nein, bitte, der Fürst wird dort sein und ebenso mein Bruder. Er kommt mit der Kutsche, um mich nach Inseehl zu bringen. Es ist besser, wenn sie dich nicht sehen.«
»Aber Wintersonne …« Jolindas Stimme erstarb, und sie presste die Lippen aufeinander.
»Ja.« Meisterin Winter beugte sich vor, um den Sattelgurt festzuziehen. »Ich weiß, dass du dir Sorgen um Soni machst. Aber ich bitte dich, bleib hier und pass auf die Mädchen auf, besonders auf Larkyn Schwarz. Der Fürst hasst sie beinahe so sehr wie mich.«
»Warum?«
Lark biss sich auf die Lippe und beobachtete, wie Meisterin Winter liebevoll über den Hals ihrer Stute strich. »Er ist verrückt«, sagte sie ausdruckslos. »Er ist berauscht von der Macht, besessen … und das Mittel, das er genommen hat, um seinen Körper zu verändern, hat ihn in den Wahnsinn getrieben. Versprich es mir, Jolinda. Versprich mir, dass du hierbleibst, was auch immer geschieht.«
»Ja, Meisterin. Wenn Sie das möchten.«
Lark sah, wie Meisterin Winter den Kopf hob und den Blick über die so vertrauten Umrisse der Halle, des Wohnhauses, des Schlafsaals und der Stallungen gleiten ließ. Der Himmel wurde langsam heller und beleuchtete die smaragdgrünen Koppeln und die Hecken, die entlang der Auffahrt in voller Blüte standen. Sie sprang in den Sattel und sagte dann leise: »Weißt du, Jolinda, jetzt, wo der Augenblick gekommen ist, kann ich es kaum ertragen, das alles hier zu verlassen.«
Jolinda wollte etwas antworten, doch es ging in haltlosem Schluchzen unter. Meisterin Winter erstarrte und zog an
Sonis Zügeln. Sie sprach mit ihr, und die Stute machte sich auf den Weg zum Tor.
»Meisterin Winter! Warten Sie!« Lark trat hinaus in das Tageslicht. Meisterin Winter drehte sich im Sattel zu ihr um, und Lark rannte zu ihr und griff die Zügel von Wintersonne. »Wollen Sie denn nicht auf Wiedersehen sagen?«
»Larkyn.« Meisterin Winters schmales Gesicht wirkte im kühlen Morgengrauen wie aus Marmor gemeißelt. »Larkyn, lassen Sie mich gehen. Es wird Zeit.«
»Aber werden Sie nicht mich … oder Prinz Frans …?«
»Lassen Sie mich gehen!«, schnappte Meisterin Winter. Sie drückte die Hacken in Wintersonnes Flanken, und die Stute fiel in einen zügigen Trab. Kurz darauf passierten sie das Tor und galoppierten die Flugkoppel hinunter.
Lark rannte hinter ihnen her und stellte sich auf die Bretter des Zaunes, um zuzusehen, wie Wintersonne sich mit ihren glänzenden roten Flügeln in den rosa und blauen Morgenhimmel erhob. Sie flog auf die Weiße Stadt zu und dann nach Norden in Richtung Fleckham. Selbst als sie sie schon lange nicht mehr sehen konnte, stand Lark noch regungslos da. Er als sie hörte, wie Tup aus dem Innern des Stalles nach ihr wieherte, kletterte sie langsam und schweren Herzens vom Zaun herunter. Meisterin Winter hatte sich nicht mehr umgesehen, nicht ein einziges Mal.
Lark trainierte an diesem letzten Tag vor den Estian-Ferien mit ihrer Klasse, doch sie war nicht mit dem Herzen dabei. Tup schien das zu spüren und war noch eigenwilliger als sonst, flog über der Linie und scherte aus der Formation aus, bevor sie bereit war. Erst bei den Grazien war er aufmerksam. Zumindest hatte er verstanden, dass die Grazien
ihre wichtigste Aufgabe waren. Er führte die Figur perfekt aus und legte sich vorsichtig in die Kurve, damit Lark nicht den Halt verlor. Er flog sauber nach links, dann nach rechts und ließ ihr genügend Zeit, ihr Gleichgewicht wiederzufinden.
Als es Zeit zum Landen war, hatte sie Angst, er könne sich weigern. Sie legte eine Hand auf seinen Hals und befahl ihm, sich zu benehmen. Sie glaubte nicht, dass sie es heute ertragen könnte, gescholten zu werden. Er schwebte gehorsam hinunter über die Hecken am Fuße der Landkoppel und galoppierte locker auf die Stallungen zu. Als sie abstieg, stupste er mit dem Maul gegen ihre Wange und wimmerte. Sie warf die Arme um seinen Hals und vergrub ihr Gesicht eine ganze Weile in seiner Mähne. Sie gab sich ganz dem Schmerz dieses Tages hin und ließ sich von Tups Wärme und Kraft trösten.
Während sie ihn bürstete und seine Hufe säuberte und fettete, dachte sie die ganze Zeit an Meisterin Winter und Wintersonne. Sie waren jetzt getrennt. Soni würde verzweifelt aus diesem fürchterlichen Stall hinter ihr herwiehern, während Meisterin Winter in dieser angespannten Haltung wegging, die sie einnahm, wenn sie versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Es würde ihr bestimmt das Herz
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