Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
wiederholten. Als Meisterin Stern das Zeichen zur Umkehr gab, drängte Lark Tup zurück in die Gruppe und ordnete sich hinter Hester und Goldie für die Offenen Kolonnen ein. Zu zweit nebeneinander flogen sie einen großen Kreis, der sie erst nach Westen, dann nach Norden führte. Sie flogen niedrig und berührten gerade die Spitzen der Fichten und die nackten Zweige der Eichen und Baumwollwälder.
Lark hob das Gesicht und ließ die Sonne auf ihre Wangen scheinen. Tup wirkte fröhlich in der kalten Winterluft, wobei seine Flügel wie ebenholzfarbene Seidenbänder wirkten und seine Mähne sich anmutig im Wind kräuselte. Lark wünschte, sie könnte ihre Angst vergessen und den Flug mehr genießen, sich ganz dem Gefühl hingeben, so hoch über das Land und ihre Sorgen hinwegzuschweben.
Doch sie sah weiterhin die Spuren im Schnee vor sich, die Wirbel in den Sägespänen, wo Beere in dem Versuch zu entkommen, gekämpft und mit den Pfoten gestrampelt haben musste …
Vor lauter Kummer hatte sie einen Kloß im Hals. Sie senkte das Kinn und versuchte, ihn hinunterzuschlucken. Genau in dem Moment sah sie es.
Ihre Augen, die daran gewöhnt waren, vermisste Ziegen oder verlorene Kälber zu suchen, entdeckten vor dem spärlichen Grün einer Hecke einen silbernen Fleck. Sie beugte sich vor, um genauer hinzusehen, und Tup, der sie missverstanden hatte, scherte aus der Gruppe aus. Lark kor – rigierte ihn, doch als sie die Zügel hob, sah sie die silbergraue Form, erst ein Häufchen Fell, dann eine kleine Bewegung. Das Zeichen von Kalla brannte auf ihrer Brust, und sie trieb Tup nach unten, um über dem Weg zu kreisen, den sie gekommen waren. Sie spürte Hesters fragenden Blick und war sich darüber im Klaren, dass Meisterin Stern sie schelten würde, weil sie die Formation verlassen hatte. Doch sie glaubte genau zu wissen, was dort unten an der Hecke lag. Die Hitze ihres Amuletts bestätigte ihren Verdacht.
Die Hecke lief an einem brachliegenden Feld entlang, das nach der Ernte umgepflügt worden war, damit es im Frühling wieder bepflanzt werden konnte. Es war eine lange,
schmale Fläche, und Lark wusste, dass die Erde gefroren und voller Klumpen war, doch Tup konnte damit umgehen. Sie hoffte, dass es nicht noch schlimmere Hindernisse gab, und flog an das eine Ende, so dass sie Tup zurück in den Wind drehen konnte. Tup streckte übermütig den Hals.
Sie hatte den steifen Sattel beinahe vergessen, doch als Tups Vorderläufe auf dem Boden aufsetzten, fiel er ihr wieder ein. Sie musste alles ganz bewusst statt instinktiv tun. Sie senkte sich tief in den Sattel, versuchte sich in der Mitte zu halten und Tups Gleichgewicht zu spüren. Wenn sie jetzt einen Fehler machte, wenn irgendetwas schiefging, würde sie wochenlang im Stall Dienst tun müssen!
Aber sie stürzte nicht, und Tup landete geschmeidig mit gestreckten Vorderläufen und angezogenen Hinterläufen auf dem Boden. Lark wurde bei der Landung zwar ein bisschen durchgeschüttelt, doch sie saß fest im Sattel. Tup galoppierte, dann trabte er direkt auf das silberfarbene Bündel zu. Lark bemerkte, dass auch er es gesehen hatte. Er blieb neben der Hecke stehen, schüttelte die Flügel aus und senkte das Maul, um daran zu schnuppern. Lark schwang ihr rechtes Bein über den Sattelknauf und sprang hinunter. Sie hatten den vermissten Oc-Hund gefunden.
Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie das Blut auf Beeres Fell erblickte. Sie kniete sich neben den Hund auf den Boden und flüsterte seinen Namen. Er reagierte nicht.
Lark riss sich zusammen und legte ihre Hände unter Beeres Hals, um den Puls zu ertasten.
Sie spürte ein schwaches Pochen an seinem Hals. Sein Herz schlug noch, und Beere atmete, wenn auch sehr flach und kaum wahrnehmbar. »Oh, Beere«, flüsterte Lark. »Armer Beere!« Sie knöpfte schnell ihren Mantel auf und legte ihn über den Hund. Sie fand auch die Wunde, es war ein
tiefer Schnitt am Hals, der das lange Fell und die Haut des Oc-Hundes durchdrungen hatte. Die Wunde blutete zwar nicht mehr, aber die Ränder waren noch klebrig und nässten. Lark suchte in ihren Taschen nach einem Taschentuch, nach irgendetwas, mit dem sie die Wunde verbinden konnte. Als sie nichts fand, riss sie ein Stück Saum aus ihrem Hosenrock. Sie würde ihn später flicken müssen, doch darüber machte sie sich jetzt keine Gedanken.
Gerade als sie das Stück schwarzen Stoffs um Beeres Hals gebunden hatte, bewegte sich der Hund. Er öffnete die Augen und rollte sie zur Seite, so
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