Die Wolkenreiter Bd 2 - Kriegerin der Lüfte
und Futter überstehen.
Philippa brauchte eine Weile, um sich zu sammeln. Sie stand auf, zog die schmutzstarrende Decke um sich und überlegte, was zu tun war.
Die Geräusche draußen vor der Hütte zwangen sie zu handeln. Hastig stapelte sie die leeren Fässer aufeinander,
um die Öffnung zu verbergen. Sie benutzte noch einmal die hintere Ecke der Hütte, rümpfte die Nase wegen des Geruchs, der sich dort bereits bildete, und kauerte sich neben die Tür, um so zu tun, als hätte sie geschlafen, und auf eine Gelegenheit zur Flucht zu warten.
Bald darauf erschein Jonka, zog den Lederlappen zur Seite und grinste Philippa anzüglich an, als wüsste sie, was für eine elende Nacht sie gehabt haben musste. Hinter ihr schlurfte Lissih mit hängendem Kopf durch den frischen Schnee. Eine Bande Kinder versteckte sich hinter dem Wächter und versuchte neugierig an ihm vorbei einen Blick auf die merkwürdige Frau zu erhaschen. Der Mann schlug nach ihnen und gab dem Erstbesten eine Ohrfeige. Philippa biss die Zähne zusammen. Sie hatte noch nichts an diesen Menschen entdecken können, das ihre Zuneigung geweckt hätte.
Selbst Jonkas grässliche Narbe konnte sie heute Morgen nicht rühren. Die Alte trieb Lissih vor sich her, und Philippa sah, dass das Mädchen wieder eine Schale in der Hand hielt. Der Inhalt sah genauso aus wie tags zuvor. »Lissih.« Philippa versuchte, sanft mit ihr zu sprechen. »Hast du meine Stute gesehen? Mein geflügeltes Pferd? Kümmert sich irgendjemand um sie?«
Das Mädchen blickte vorsichtig zu Jonka und hielt ihr die Schale hin wie zuvor.
»Bitte, Lissih«, wiederholte Philippa. Sie nahm dem Mädchen die Schale ab, hielt sie jedoch nur in den Händen. »Ich kann nichts essen, bevor ich nicht weiß, dass es Soni gutgeht.«
Ihre Blicke trafen sich, die Lippen des Mädchens zitterten, doch sie konnte den Mund nicht öffnen. Philippa seufzte und nahm den Löffel. »Also gut. Wenn ich das hier
esse, sagst du es mir dann?« Sie aß einen Löffel und schluckte. Die Suppe war kalt und fettig, und sie fürchtete, dass sie ihr gleich wieder hochkäme. Sie legte den Löffel zurück in die Schale und wollte sie Lissih wiedergeben.
Jonka knurrte etwas und quetschte Lissihs Schulter. »Jonka sagt: essen«, stammelte sie.
Philippa biss eine ganze Weile die Zähne aufeinander und beobachtete mit zusammengekniffenen Augen die Frau mit der Narbe. Schließlich nahm sie die Schale in beide Hände und gab vor, einen Schluck zu trinken. Dann goss sie langsam und mit voller Absicht den ganzen Inhalt auf den Boden.
Lissih brach in Tränen aus, und wie zuvor zog Jonka ihr rostiges Messer aus der Schneide und richtete es auf Philippa.
»Mach schon. Auf, du erbärmliches Wesen! Mal sehen, ob du die Nerven dazu hast!«
Als Jonka die Hand zurückzog, als wolle sie zustechen, erschrak Philippa. Hatte sie den Mut der Wildländlerin unterschätzt? In dem Augenblick ertönte vor der Hütte eine tiefe, barsche Stimme, die vom wütenden Kläffen eines Hundes begleitet wurde. Hurg tauchte in der Türöffnung auf.
Der Anführer erfasste mit einem Blick die Situation, knurrte etwas und schlug der unglückseligen Jonka mit der Faust ins Gesicht. Sie sackte zur Seite, ließ das Messer fallen und fasste nach ihrer Nase. Blut rann über ihre zerklüftete Wange und die Lippen. Lissih nutzte die Gelegenheit und rannte aus dem Zelt, die Hände über den Kopf geschlagen, als hätte sie Angst, Hurgs nächstes Opfer zu werden.
Philippa stemmte die Fäuste in die Hüften und starrte Hurg an. Sie war zwar mittlerweile fast genauso schmutzig
wie er, aber sie war derart wütend, dass sie nicht weiter darauf achtete. »Was wollen Sie von mir?«, fragte sie, obwohl sie wusste, dass er sie nicht verstand; doch sie war mit ihrer Geduld am Ende. Ein Schmerz fuhr ihren Nacken hinauf, ein Schmerz, der von der ganzen Anspannung herrührte. Sie hätte sich gern an Hurg vorbeigedrängt und wäre durch das Lager hindurch zu Soni gelaufen. Einen Atemzug lang war sie geneigt, es zu versuchen.
Doch der Wachposten stand immer noch wie eine Säule im Schnee neben der Hütte und hielt den Speer in der Hand. Der gescheckte Hund wartete mit aufgestellten Ohren und erhobenem Schwanz neben ihm. Und Hurg, der offenbar nicht zögerte, auf seine eigenen Leute einzuschlagen, hatte zweifellos nicht übel Lust, ihr das Messer in den Leib zu rammen.
Er sagte etwas über die Schulter hinweg und zog an einem Seil in seiner Hand, das Philippa bislang nicht
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