Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
schwindelig und übel, und er wünschte, er hätte doch etwas gegessen. Sein Körper war weich wie Butter in der Sonne, verglichen mit den harten, kräftigen Muskeln seiner vollkommenen Stute.
Als sie die Strecke einschlug, die sie und Himmelsbaron üblicherweise nahmen, und nach Westen flog, erinnerte sich Wilhelm daran, sich tief in den Sattel zu setzen, die Hände unten zu halten und auch die Fersen nach unten zu drücken. Er war erstaunt, als er Tränen auf seinen Wangen bemerkte und ein Schluchzer seiner Brust entschlüpfte. Er empfand große Angst und zugleich unermessliche Freude.
Fliegen! Ich fliege. Endlich.
Kapitel 35
N ach nur knapp vier Stunden Schlaf fühlte Philippa sich wie zerschlagen. Ihre Augen brannten. Mit einem Stöhnen blickte sie in den Spiegel über der Kommode, goss Wasser aus dem Krug in die Schale auf dem marmornen Beistelltisch und wusch sich das Gesicht. Sie trocknete sich ausgiebig ab und seufzte in das weiche dicke Handtuch. Sie genoss den friedlichen Augenblick, bevor sie das Tuch weglegte und ans Fenster trat.
Amanda Beeht hatte sie in einem Zimmer untergebracht, das Richtung Osten hinausging. Zwischen dem Haus der Beehts und dem Meer lagen nur Weiden und Bauernhäuser. Die frühe Morgensonne leuchtete auf den Feldern, auf denen die Blaue Luzerne und das Timotheusgras bereits geerntet worden waren. Das grüne Wasser glitzerte und lag genauso friedlich da wie die Felder. Das Licht des Nordturms wurde vom Sonnenlicht gedämpft, und nur wenn Philippa sich ganz dicht an das Fenster lehnte, erkannte sie gerade noch die Mastspitzen des Schiffes aus Kleeh hinter der Stadt. Nichts an dem Bild deutete darauf hin, dass die Streitkräfte bereit waren loszuschlagen.
Aber diese Streitkräfte waren da, und sie musste sich ihnen stellen.
Amandas Haushälterin hatte eine Auswahl an Bürsten, Cremes und Lotionen auf der Kommode für sie bereitgestellt. Philippa sah sie durch, wusste jedoch bei den meisten
nicht, wofür sie gut waren. Sie nahm eine Creme, die schwach nach Mandeln duftete, und trug etwas davon auf ihre Wangen und ihren Hals auf. Dann bürstete sie ihre Haare und frisierte sie zu einem Reiterknoten. Sie hatte mittlerweile beinahe genauso viel graue wie rote Haare. Das liegt wohl an meinem Alter, dachte sie bedauernd. Sie schnalzte ob ihrer Eitelkeit missbilligend mit der Zunge und wandte sich entschlossen vom Spiegel ab. Was spielte das schon für eine Rolle? Es interessierte sich sowieso keiner für ihr Aussehen.
Jemand hatte ihr Wams und ihren Rock ausgebürstet, ihre Stiefel gereinigt und eine frische Garnitur Unterwäsche bereitgelegt. Philippa war von Amandas hervorragendem Personal beeindruckt. Sie zog sich an und steckte ihre Kappe sowie die Handschuhe zwischen Wams und Gürtel.
Sie hatte zwar keine Geräusche gehört, aber im Hauptgang des Hauses herrschte bereits geschäftiges Treiben. Baron Beeht lief vom Ballsaal zum Salon, vom Speisesaal zum Frühstückszimmer und gab den Männern Anweisungen. Dienerinnen eilten mit Tabletts voller Kaffee, Wurst und Brotkörben hierhin und dorthin. Amanda Beeht, die zweifellos nur halb so lang geschlafen hatte wie Philippa, sprach in der Eingangshalle mit ihrer Haushälterin und erblickte sie, als sie die Treppe hinunterging.
»Ah, Philippa«, sagte Amanda wie an einem ganz normalen Morgen und als wären all die Leute die üblichen Hausgäste. »Hier ist es überall so geschäftig. Wollen Sie nicht mit mir in der Küche frühstücken? Ich schwöre, dass es dort ruhiger ist als in jedem Salon.«
»Gern, Amanda, danke. Guten Morgen.« Sie folgte ihrer Gastgeberin unter die breite Steintreppe und durch eine
Schwingtür in eine geräumige Küche mit einer hohen Decke, in der drei Köchinnen bereits fleißig bei der Arbeit waren. In einem Ofen loderte ein Feuer, und neben dem Herd standen frisch gebackene Kuchen.
Amanda führte Philippa an einen Arbeitstisch, der unter einer Deckenschräge stand, vermutlich die Unterseite der Haupttreppe. Dort traf Philippa auf Larkyn, die einen Teller mit Blutrüben und gekochten Eiern verschlang. Als sie Philippa sah, sprang Larkyn von ihrem Stuhl auf.
»Oh, Meisterin Winter!«, rief sie. »Ich bin ja so froh, dass es Ihnen gutgeht!«
»Einigermaßen gut zumindest«, sagte Philippa und versuchte mit ihrem barschen Ton zu verbergen, wie sehr sie sich freute, das Mädchen zu sehen. Wenigstens Larkyn wirkte frisch wie eine Frühlingsrose, ihre Wangen waren rosig, und die veilchenblauen Augen blitzten.
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