Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
noch einer dummen Frau ohne jegliches Verständnis für Staatsgeschäfte. Nicolas hatte ihm durch eine Pferdemeisterin – natürlich eine aus Oc – eine Nachricht zukommen lassen, in der er Wilhelm aufforderte, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Baron Riehs von Kleeh zu beruhigen. Er hatte nichts über die Fleckham-Schule oder die Sache mit den Geflügelten Pferden gesagt, doch er hatte einiges angedeutet. Wilhelm hatte Klaahs erlaubt, es ihm vorzulesen. Das bereute er nun, konnte es jedoch nicht mehr ungeschehen machen. Unglücklicherweise hatte der Prinz dem Rat der Edlen eine Kopie des Schreibens geschickt, und die Pferdemeisterin hatte diese Kopie zuerst dort abgegeben, bevor sie zu Wilhelm gekommen war, so dass er sie nicht mehr daran hatte hindern können.
Doch über all das wollte er nicht mit seiner Frau sprechen.
»Geh, Constanze!«, fuhr er sie an. »Such dir eine andere Ablenkung für deinen Geist – falls du überhaupt so etwas besitzt -, und lass mich meine Arbeit tun.« Er wirbelte herum, marschierte aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Er hatte heute Morgen keine Zeit für ihre Albernheiten. Er hatte sich sogar überlegt, Constanze nach Hause zu ihrer Familie zurückzuschicken, wenn er in die Fleckham-Schule umzog, um die jungen Männer bei ihren Vorbereitungen zu unterstützen. Sie war unfruchtbar, vollkommen nutzlos für ihn und nervte ihn nur. Die Vorstellung, dass sie weiterhin über den Prinzen und den Rat nörgelte, brachte sein Blut in Wallung.
Als er die Stalltür erreichte, hatte er sie allerdings vergessen. Der tote Soldat, das ertrunkene Pferd, selbst die
Kleehs und Prinz Nicolas verschwanden aus seinen Gedanken. In ihm wogte reine Vorfreude, bis nichts anderes mehr Platz in ihm fand. Er konnte Diamant bereits riechen, diese angenehme Mischung aus Pferd, Stroh, Getreide und Blauer Luzerne.
Er nahm Diamants Zaumzeug vom Haken in der Sattelkammer, prüfte, ob der Flugsattel bereitlag und eilte aufgeregt zu ihrem Stall.
Eigentlich hatte er vorgehabt, diesen ersten Flug mit Felicitas Baron und Himmelsbaron als Leittier zu unternehmen, doch die beiden waren nirgends zu finden.
Er konnte auch eine der Pferdemeisterinnen bitten, die zum Dienst im Palast abgestellt waren, doch er wusste nicht, ob er ihnen trauen durfte. Es war ein Schock für ihn gewesen, als er am Vortag gesehen hatte, wie wenig Reiterinnen der Akademie seinem Befehl Folge geleistet hatten. Er hatte nicht vor, noch einen weiteren Verrat zu riskieren. Dies hier würde er wie so vieles auch alleine schaffen.
Damit würde er alle anstehenden Probleme lösen. Wenn er erst einmal geflogen war, würde Prinz Nicolas einlenken, und der Rat würde endlich aufhören, seine Entscheidungen ständig zu hinterfragen. Selbst die Pferdemeisterinnen würden zur Vernunft kommen, denn ihre Zukunft hing davon ab, dass sie die neue Ordnung in Oc akzeptierten.
Dass die Pferdemeisterinnen hier keine Zukunft mehr hatten, überhaupt keine, war ein Geheimnis, das er vorerst noch für sich behielt.
Sein Puls schlug schneller, als Diamant ihren fein geschnittenen Kopf über das halb geöffnete Stalltor steckte. Sie leuchtete wie ein Edelstein in der Dunkelheit, ihre großen Augen strahlten, und ihr Fell glänzte wie Satin. Er kam
langsam und lautlos mit seinen Stiefeln über das Sägemehl auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. Sie senkte ihr Maul, um an seiner Hand zu schnüffeln, und ihr elfenbeinfarbener Stirnschopf fiel wie der Seidenschal einer Frau über sein Handgelenk. Wilhelm seufzte vor Freude und war unglaublich erleichtert.
Alles würde gut werden. Alles war perfekt.
Er langte über das Stalltor, um ihren Hals zu streicheln. Die geschmeidigen Muskeln erzitterten unter seiner Hand. Zärtlich schob er die Trense über ihren Kopf und schloss vorsichtig den Nasenriemen. Er hätte es nicht ertragen, wenn sie vor ihm gescheut oder zusammengezuckt wäre, wie sie es manchmal tat. Sie warf den Kopf hoch und blähte die Nüstern, doch sie schien den Stall gern verlassen zu wollen.
Sie wehrte sich nicht, als er sie den Gang hinunterführte, die Zügel fallen ließ und den Sattel aus der Sattelkammer holte. Sein Stallbursche steckte den Kopf aus einer der Stallboxen im anliegenden Gang und sagte: »Brauchen Sie irgendetwas, Durchlaucht?«
»Nein, Blacher. Ich benötige Ihre Hilfe heute nicht.«
»Gewiss, Durchlaucht.«
Wilhelm strich die Satteldecke auf Diamants Rücken glatt und legte ihr den Flugsattel auf.
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